30. Januar 2013

Trauma-Zentren gegen den Teufelskreis der Gewalt

Von nst1

An: François-Xavier Maroy Rusengo, Erzbischof von Bukavu

Sehr geehrter Herr Erzbischof,

unser Land haben Sie ein glückliches genannt. Tatsächlich ist es eine Oase des Reichtums, der Sicherheit und des Friedens im Vergleich zu der Armut und den Grausamkeiten, die Ihre Mitbürger erleben müssen und die sie täglich in Angst und Schrecken versetzen. Welch ein Kontrast!
Die Vögel sind in Ihrer Heimat nicht mehr zu hören, sagen Sie. Mit dem Geknalle der Gewehre sind sie verschwunden. Seit letzten April sind die Rebellen in Nordkivu unterwegs, haben in Goma großen Schaden angerichtet. Immer wieder wird geschossen, es gibt viele Tote.

Bis zu uns dringen die Hiobsbotschaften selten: Raubüberfälle, Morde, Massenvergewaltigungen, Menschenrechtsverletzungen an der Bevölkerung gehören zur Kriegstaktik im Kampf zwischen Rebellen und Armee. Wen sollten sie hier interessieren? In der Verleihung des Weimarer Menschenrechtspreises liegt auch die Hoffnung, dass sich das Augenmerk wenigstens kurz auf die Region am Kivusee richtet. Denn sie ist uns näher als wir denken.
Sie kümmern sich um die Opfer: Zusammen mit dem Hilfswerk Missio bauen Sie Trauma-Zentren auf, um die Menschen wiederaufzurichten und zu begleiten, die Gewalt erlitten haben. Im Einsatz für Frieden und Versöhnung riskieren Sie Ihr Leben: Eine Kugel verfehlte Sie nur knapp. Aber einschüchtern konnte Sie das Attentat nicht. Aus der Patrone formten Sie ein kleines Kreuz.
Sie klagen die reichen Länder nicht an, aber Sie benennen mutig die Zusammenhänge: Ein Grund für die Gewalt ist das Erz Coltan, das zur Herstellung von Handys, Smartphones und Playstations unabdingbar ist. Mit dem illegalen Verkauf lassen sich Milliarden verdienen. Um an die Coltanminen zu kommen, ist den Milizen, die die Menschen von ihrem Land vertreiben, jedes Mittel recht.

Indem Sie auf die Hintergründe aufmerksam machen, stellen Sie unser Konsumverhalten infrage. Denn die Kommunikationsmittel, die wir nutzen, stehen am Schluss einer Handels- und Produktionskette, an deren Beginn unfassbare Ungerechtigkeiten an der Tagesordnung sind.

Ihr mutiger und selbstloser Einsatz verdient Hochachtung! Dafür kann der Menschenrechtspreis nur eine kleine Anerkennung sein. Noch wichtiger wäre, dass die internationale Gemeinschaft eingreift; dass sich die Handyhersteller stärker mitverantwortlich fühlen; dass wir Ihren Wunsch ernst nehmen und jedesmal, wenn wir zum Handy greifen, eine Sekunde lang an jene denken, die das Coltan aus der Erde holen; dass möglichst viele die Aktion „Saubere Handys“ von Missio 1) unterschreiben, damit Hersteller und Vertreiber künftig auf Coltan aus legal und gerecht geführten Minen drängen, an dem kein Blut klebt.
Dass es gelingt, den Kreislauf der Gewalt endlich zu durchbrechen und auf dem Weg zu einem friedlichen und menschenwürdigen Leben spürbar voranzukommen: Das wünschen wir Ihnen und den Menschen im Kivu-Gebiet zu Beginn des neuen Jahres von Herzen!

Mit freundlichen Grüßen,
Clemens Behr
Redaktion NEUE STADT

Unser offener Brief wendet sich an François-Xavier Maroy Rusengo (56), Erzbischof von Bukavu im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Wo Milizen im Kampf um Rohstoffe mit großer Brutalität gegen die Zivilbevölkerung vorgehen, setzt er sich unter Lebensgefahr für Frieden und Versöhnung ein. Im Dezember erhielt er dafür den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar.

1) www.missio-hilft.de

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2013)
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