24. Mai 2013

Eins ums andere!

Von nst1

Drei Söhne zwischen 11 und 17, Haushalt und Familie, ein Teilzeitjob im Büro und ein breites ehrenamtliches Engagement: Elisabeth Bucher kann das mit Gelassenheit und aus einer tiefen Verwurzelung angehen.

„Über mich gibt’s doch nichts zu schreiben!“ So die überraschte Reaktion von Elisabeth Bucher auf die Anfrage, ob sie bereit wäre, aus ihrem Leben zu erzählen. Aber trotz deutlicher Zweifel hat sie am nächsten Tag zugesagt: „Ich habe einen Deal mit Gott gemacht: Wenn ich trotz der Anfrage nachts schlafe, dann ja!“, erklärt die Familienmutter und fährt lachend fort: „Ich hab ganz gut geschlafen! – Da kann ich jetzt nicht mehr zurück!“

Elisabeth Bucher ist 49 und lebt mit ihren vier Männern – Ehemann Georg (53) und Söhnen Johannes (17), Andreas (15) und Simon (11) – westlich von Augsburg, in den ländlich geprägten Stauden. Reitenbuch ist der Ort, wo auch das Elternhaus ihres Mannes steht; Elisabeth Bucher selbst kommt aus einem Nachbarort. Neben dem Haushalt und der Familie – auch der Großfamilie mit Eltern, Schwiegereltern und Geschwistern – ist die Verwaltungsangestellte 14 Stunden im Büro eines Kinderheimes beschäftigt. „Da hab ich mit vier Stunden angefangen und nach und nach aufgestockt!“

Als Jugendliche hatte Elisabeth über die Dekanatsjugendarbeit einen lebendigen Zugang zum Evangelium gefunden. „Wir haben uns getroffen, vielleicht einmal im Monat; ich bin immer hin und dieses Leben mit dem Wort hat mich sehr beeindruckt“, erinnert sie sich. „Da war so was Lebendiges.“ Trotzdem kam sie nachher immer nach Hause und war ganz fertig, hat sogar geweint.

„Ich war so schüchtern, dass ich mich nicht getraut habe, den Mund aufzumachen. Und ich kam mir wie ein Schmarotzer vor, weil ich nur zuhörte, wie die anderen erzählten, welche Erfahrungen sie in ihrem Alltag mit dem Evangelium gemacht hatten.“

Das ging etwa ein Jahr so. Dann hat die Jugendliche all ihren Mut zusammen genommen und den anderen gegenüber ihre Not einmal laut ausgesprochen – „und von da ab ging es besser!“

Das intensive Leben mit Gott hat dann ihr ganzes Leben begleitet, und sie wüsste gar nicht, wie es ohne gehen sollte. Ein Fixpunkt für Elisabeth Bucher ist deshalb auch der Mittwochabend: Da trifft sie sich mit anderen Frauen, die der Spiritualität der Fokolar-Bewegung verbunden sind und ihren besonderen Weg darin sehen, den Geist der Geschwisterlichkeit und der Einheit in ihrem Alltag und den gesellschaftlichen Bezügen zu leben. „Der Abend ist für mich ein geschützter Raum, wo ich auftanken, alles mitteilen, mich immer wieder neu ausrichten kann.“

Miteinander und füreinander leben – das ist Elisabeth Bucher ganz selbstverständlich. Sicher hat sie das auch als Erbe aus ihrer Herkunftsfamilie mit auf ihren Lebensweg bekommen, „wo wir bis heute die Freuden und Sorgen teilen und sie mittragen“ – aber noch viel stärker erlebt sie das nun auch in ihrer anderen, „der neuen Großfamilie“ der Fokolar-Bewegung. „Da bekommt das noch mal eine ganz andere Dimension, weil …“ Elisabeth Bucher zögert ein wenig, sucht nach Worten und setzt neu an: „Da kommt Gott ins Spiel!“ Und außerdem, so fährt sie fort:

„Wenn mehrere etwas tragen, dann wird’s für den einzelnen leichter! Das glaub ich, das erleb ich und das erfahr ich immer wieder!“

„Ganz im Augenblick“ und „eins ums andere“ – das sind für Elisabeth Bucher nicht nur Schlagwörter. Was da an Leben drinsteckt, versteht man spätestens dann, wenn sie aus ihrer Arbeit erzählt. Im Büro des Kinderheims ist sie für die Abrechnungen mit den Jugendämtern, die Kontakte zu Krankenkassen und Spendern zuständig. „Aber dann läutet das Telefon, jemand kommt vorbei und hat eine Frage, oder gibt etwas ab und manchmal bin ich mittags noch nicht dazu gekommen, das aus der Schublade zu holen, was ich erledigen wollte.“ Und dann? „Dann muss ich das halt am anderen Tag rausholen!“ Sie empfindet es als großes Geschenk, dass sie Unvorhergesehenes einfach so nehmen kann und sich nicht aufregen muss. „Da kann ich im Grund gar nichts dafür, das ist einfach so.“ Und bisher, unterstreicht sie, hat sie dann immer alles geschafft!

Aber es gibt auch Engpässe. Vor allem zu Monatsbeginn, wenn die Abrechnungen dran sind. Die praktische Frau erklärt das an einem Beispiel. Damit sie die Betreuungsgelder mit den Jugendämtern richtig abrechnen kann, muss sie genau angeben, wie lange die Kinder in den Ferien bei den Familien sind. Dafür gibt es Listen, die in den Gruppen ausgefüllt werden und die Elisabeth dann in ihr Abrechnungsprogramm überträgt. Früher reichte es, wenn sie die Anzahl der Tage angab, aber mit einem neuen Programm war sie jetzt auf genauere Daten angewiesen. Und die brauchte sie von den Gruppen. Aber leider gab es da immer wieder Ungereimtheiten. „Ich bin sicher, dass die uns damit nicht ärgern wollen,“ erklärt Elisabeth, „aber trotzdem ist das dann nervig. Ich bin einfach davon abhängig.“ Damit die Gruppenleiter sehen, dass Elisabeth das nicht nur abfragt, um sie zu ärgern, hat sie ihnen in ihrem Büro das Programm gezeigt und erklärt. Dabei wurde ihr selbst dann aber auch klar, dass die in den Gruppen manchmal zu viel um die Ohren hatten: Zwar tragen sie vor der Abreise die geplante Abwesenheit ein, übersehen dann aber zu korrigieren, wenn die Kinder früher gehen oder später kommen. „Das half uns gegenseitig, einander zu verstehen.“

Bei Elisabeth Bucher fühlt man sich wohl; da kann man ankommen. Das spüren auch die Putzfrauen, vor allem eine mit vielen Problemen. Oft kommt sie dann und will erzählen. „Zwischendurch fünf oder zehn Minuten sind ja auch kein Problem, die kann ich gut hinten wieder an meine Arbeitszeit dranhängen“, erzählt Elisabeth. Aber manchmal würde die andere gern länger bleiben. „Das wäre nicht richtig“, da ist Elisabeth sehr gradlinig. „So muss ich sie dann auch mal freundlich aber bestimmt darauf hinweisen, dass ich wieder arbeiten muss.“ Eher sucht sie dann eine Gelegenheit außerhalb der Arbeitszeit.

In vielen Situationen hilft es Elisabeth Bucher, sich bewusst zu machen, dass es Dinge gibt, die man einfach hinnehmen muss. „Sonst reibt man sich auf und das hilft keinem!“ So hat sie gelernt zu akzeptieren, dass sie mit ihrer Geduld, die ihr die einen als Stärke bescheinigen, anderen auf die Nerven geht. „Das kann ich nicht ändern. So bin ich halt.“ Und als sie vor kurzem bemerkte, dass durch das Heranwachsen der drei Söhne in der Familie das männliche Element stärker durchkam, litt sie zunächst ein wenig darunter. Aber seit sie für sich sagen kann: „Das ist in der Natur der Sache und daran kann ich nichts ändern!“, ist es wieder leichter für sie.

Es gehört auch zum Lauf der Dinge, dass die Jungs nun immer unabhängiger werden. „Sie sind mehr unterwegs, die Größeren auch abends und bis spät“, sagt die Mutter. „Ich kann nicht klagen, aber man hat halt doch so seine Sorgen.“ Dass sie diese dann immer wieder vor Gott tragen kann, darauf vertrauen darf, „dass er schon alles recht macht“, dafür ist Elisabeth Bucher sehr dankbar. „Denn Erziehung ist keine leichte Sache, und wenn ich da nur auf mich setzen müsste, wäre das schon sehr anstrengend.“ So aber kann sie auch das aus einer tiefen Verwurzelung und einer gesunden Gelassenheit angehen; wie letztlich dann auch das Gespräch für diesen Artikel.
Gabi Ballweg

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2013)
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