16. Dezember 2013

Anwalt der Opfer von Hass und Gewalt

Von nst1

Offener Brief an: Pater Cedric Prakash, indischer Menschenrechtler

Sehr geehrter Pater Cedric,

Ihrem strahlenden Wesen merkt man nicht an, dass das Engagement für Menschenrechte knallhart sein kann. Wer in unseren Breiten hat je davon gehört, dass es Hindu-Fundamentalisten gibt, die Hitler verherrlichen und sich in ihrem Kampf gegen Minderheiten auf seine Rassenideologie berufen? Wer weiß hier, dass in Teilen Indiens im Namen der Religion immer wieder Häuser angezündet, Menschen verbrannt, Tempel, Moscheen und Kirchen zerstört werden?

Sie stehen an der Seite der Armen, setzen sich für Opfer ein, stellen denen, die Hass säen, eine geduldige Aufbauarbeit für ein friedliches Zusammenleben entgegen. Dabei sind Sie nach der Zerstörung der Moschee von Ayodhya 1992 beinahe selbst zwischen verfeindete Fronten geraten. Sie haben unschuldige Freunde verloren, die trotz ihres Einsatzes für den Frieden von einem aufgehetzten Mob gelyncht wurden. Auch am eigenen Leib haben Sie erfahren, wie extremistische Hindus Gerüchte in die Welt setzen und Menschen gegen Sie aufstacheln. Dass Sie auch ungerechte Machenschaften von Politikern anprangern, ist lebensgfährlich: Sie haben mehrere Tötungsversuche überstanden. Mit Bodyguards herumzulaufen, wie es die Justiz empfiehlt, lehnen Sie ab, und sprechen lächelnd von Ihrem „Berufsrisiko“.
Sie wissen jedoch, dass ein friedliches Miteinander keine Utopie ist. Denn Sie haben es in jungen Jahren mit Ihrer katholischen Familie schon erlebt: Aufgewachsen in der Nachbarschaft von Hindus, Muslime und Zoroastriern, haben Sie ganz selbstverständlich ihre Feste mitgefeiert. Begann für die einen ihre Gebetszeit, beteten die anderen zeitgleich ihrer Tradition gemäß.
Später dann mussten Sie erfahren, dass religiöse Unterschiede auch missbraucht werden, mit Absicht eingesetzt, um Gewalt zu säen und Völker zu trennen. Aber die Lehre von Jesus Christus trieb Sie an, das nicht hinzunehmen. Mahatma Gandhi ist Ihnen ein weiteres Vorbild darin, mutig für den Frieden einzutreten.

Mit Ihrem Zentrum „Prashant“ haben Sie den Opfern der Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslime in Gujarat im Jahr 2002 geholfen. Damals wurden über 2 000 Muslime hingemetzelt; Hunderttausende wurden obdachlos. Sie dokumentieren Gewalttaten, untersuchen, wie zwischen Tätern und Opfern Brücken geschlagen werden können. Sie arbeiten mit Behörden und Nichtregierungsorganisationen zusammen, geben Opfern rechtliche Unterstützung, wenn ihre Fälle vor Gericht verhandelt werden. Besonders Gewalttaten mit religiösem Hintergrund gehen Sie nach, bringen Angehörige verschiedener Religionen zusammen und leisten unter ihnen Bildungsarbeit über ihre heiligen Schriften, um das Verständnis füreinander zu stärken.
Ihr Einsatz ist unermüdlich, Ihre Ausdauer bewundernswert. Lassen Sich sich von Rückschlägen nicht entmutigen! Ihre Stimme verdient es, gehört zu werden, Ihr Dienst ist es wert, bekannt zu werden! Wir möchten Ihnen für diese Arbeit danken und wünschen, dass sie reiche Frucht trage, damit Indien nicht an seiner Vielfalt von Kulturen und Religionen zerbricht, sondern darin seine Stärke und seinen Reichtum entfalten kann.

Mit freundlichen Grüßen,

Clemens Behr
Redaktion NEUE STADT

Unser offener Brief wendet sich an Pater Cedric Prakash, 62, einen indischen Jesuiten, der 2001 im Bundesstaat Gujarat ein Menschenrechtszentrum seines Ordens gegründet hat und seitdem leitet. Dabei setzt er sich vor allem für verfolgte Minderheiten wie Christen und Muslime ein. Prakash hat dafür den diesjährigen Mutter-Teresa-Preis für soziale Gerechtigkeit der Harmony Foundation erhalten.

Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Dezember 2013)
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