27. Januar 2014

In Weggemeinschaft unterwegs

Von nst1

Die „Hauskirche fiat verbum“ beruft sich auf den Theologen und Aachener Bischof Klaus Hemmerle und seine Einladung, mit Gott und den Menschen auf dem Weg zu sein.

Es ist ein strahlender Novembertag, aber lausig kalt. Die Busfahrt von Würzburg führt durch kleine Spessart-Ortschaften, sanfte Wälder und Wiesen. In Marktheidenfeld an der Bushaltestelle warten Ruth Seubert und Ingrid Riedmann. Von hier sind es nur knapp fünf Minuten Fußweg zum Ziel: ein Wohnhaus mit spitzem Giebel, langgestreckt, mit einem Garten drum herum. Von außen wirkt es kleiner, als es sich dann später von innen erweist. Hier ist die „Hauskirche Fiat verbum“ daheim.
Egal ob beim Mittagessen in der wohnlichen Küche, beim Kaffeetrinken mit den typischen Bethmännchen 1) im hellen Wohnzimmer mit dem wärmenden Kamin oder später am Abend beim Stricken und ähnlich entspannenden Tätigkeiten, das Miteinander ist einfach und herzlich. Neben Ruth Seubert (Jahrgang 1940) und Ingrid Riedmann (1944), die schon mehr als 35 Jahren gemeinsam auf dem Weg sind, gehört seit sieben Jahren auch Bettina-Sophia Karwath (1966) zur Gemeinschaft. Vor zehn Jahren wurde sie vom damaligen Würzburger Bischof Paul-Werner Scheele als eine neue Form des geweihten Lebens anerkannt.
Der Tag der drei Frauen gliedert sich durch das gemeinsame Stundengebet am Morgen und am Abend in der kleinen Kapelle mit Tabernakel unter dem Dach. Über allem liegt der Wunsch, in ihrem Miteinander „Weggemeinschaft“ mit Gott und untereinander zu verwirklichen, nach der Zusage Jesu:

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“2).

Als Theologie-Studentin war Ruth Seubert fasziniert von den Vorlesungen ihres Professors Klaus Hemmerle in Bonn und Bochum (zwischen 1969 und 1973). Er stellte die Trinität, das Leben der Dreifaltigkeit, ins Zentrum seiner Lehre. Dass Gott den Menschen in seine göttliche Lebensgemeinschaft hineinnehmen will, empfand die junge Frau als „unerhört neu“. Später als Bischof von Aachen lud Hemmerle seine ganze Diözese ein, „Weggemeinschaft“ zu leben, also gemeinsam mit Gott unterwegs zu sein. Auch Ruth Seubert fühlte sich dazu eingeladen.
Nach ihrer Studienzeit – sie hat Theologie, Naturwissenschaft und Psychologie gemacht – suchte sie 1975 ein Zimmer in ihrer alten Heimat, dem Spessart, wo sie freiberuflich arbeiten wollte. Bei Ingrid Riedmann, der langjährigen Physiotherapeutin in Marktheidenfeld, konnte sie unterkommen und fand dort neben dem Arbeitszimmer auch Wohnung, „Bett und Brot“. Als Riedmann dann noch einmal neu baute, sind die beiden auch äußerlich sehr unterschiedlichen Frauen – Ruth Seubert, klein, ausdrucksvolle Mimik, emotional, und Ingrid Riedmann, groß, zupackend, eher nüchtern wirkend – schon viel tiefer verbunden:

„Wir versprachen uns Lebensgemeinschaft, sofort und total“, sagen sie und meinen jene „Weggemeinschaft“ mit Gott.

Ihre Entscheidung kommt aus dem tiefen Vertrauen, dass Christus auch heute in der Mitte seiner Kirche lebt.
Den Namen für ihr Miteinander findet Ingrid „einfach so“: „Fiat verbum“ heißt „Es geschehe das Wort“ – eine Erinnerung an den Anfang, der geschah, als Maria Gott zusagte, Mutter Jesu zu werden. So lebt die Hausgemeinschaft Nachfolge, in geschwisterlicher Offenheit auf alle Menschen hin und im Vertrauen, dass das göttliche Wort Fleisch werden, als Mensch inmitten der Menschen leben und gegenwärtig sein will. In „Lumen gentium“, der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, erkennen sie ihre eigene Berufung: Kirche von innen her zu erneuern im lebendigen Glauben an den dreifaltigen Gott.

Und ein kleiner Spaziergang durch den Ort zeigt: Die Kirche St. Josef, ein Bau aus den 60er Jahren und nur ein paar Schritte entfernt, wird fast nur noch an den Hochfesten gebraucht, wenn die barocke Pfarrkirche St. Laurentius, ganz nahe am Main gelegen, zu klein ist; im großen Pfarrverband ist die tägliche Messfeier am Ort nicht mehr gesichert, was für die Hauskirchen-Gemeinschaft Bestätigung und Herausforderung zugleich bedeutet.
Das Zusammenleben der Frauen hat in dem kleinen Spessartort auch für Gerede gesorgt und anfangs wurden sie der Zusammenarbeit „mit denen vom ‚Universellen Leben’ 3)“ auf der anderen Mainseite verdächtigt. Aber die Zweifel an ihrer Rechtgläubigkeit legten sich bald wieder. Um die Gemeinschaft herum hat sich – in näherer oder weiterer Entfernung – ein Kreis von Menschen gebildet, Priester, Ehepaare, Ordenleute, die sich gegenseitig in der jeweiligen Berufung stärken wollen. Sie binden sich jeweils mit jährlichen Versprechen und ohne materielle Gütergemeinschaft.

Das Statut der „Hauskirche“ hat als Fundament einen Text von Klaus Hemmerle, der mitten hineinführt in „die Ungeheuerlichkeit des Geschenks, ganz hineingenommen zu sein in die Einheit der Dreifaltigkeit“. Dabei möchten auch sie „wie Bischof Hemmerle, nicht zurückschrecken vor der Berührung mit dem dreifaltigen Gott und nicht zurückschrecken vor der Nichtigkeit menschlicher Sünde“. Ob das gelingt? Es bleibt nicht aus, dass von Zeit zu Zeit Konflikte aufbrechen, „aber dann suchen wir wieder die Wege zueinander“, ist ihre einfache Antwort.

Ihren Lebensunterhalt verdienen sich die Frauen durch ihre Arbeit. Sie ist für sie eine Möglichkeit, die Welt mitzuformen und sich in die Welt hineinzugeben.

Seubert und Karwath arbeiten zusammen, und auf ihrem Schild am Gartentor steht „Lehrhaus für Psychologie und Spiritualität, Institut Simone Weil“ 4). Die jüdische Philosophin,  politische Aktivistin und Mystikerin (1909-1943) ist als Brückengestalt zwischen drinnen und draußen für das zur „Hauskirche fiat verbum“ gehörende Lehrhaus die Namensgeberin. Dort lehren die beiden die von Seubert auf der Basis der „Themenzentrierten Interaktion (TZI)“ von Ruth C. Cohn weiterentwickelte „tiefenpsychologisch fundierte TZI“. Ingrid Riedmann ist dabei für Verwaltung und Sekretariat zuständig, kümmert sich um „Haus und Hof“.
Derzeit sind Seubert und Karwath auch in Eichstätt im Einsatz: Dort hatte Bischof Gregor Maria Hanke im Rahmen des „Jahres des Glaubens“ zu dem sechsteiligen Kurs „Unglaublich – wie unser Leben von Gott spricht“ unter Leitung der beiden eingeladen und das Pilotprojekt wird auch 2014 fortgeführt.
Die „Hauskirche Fiat verbum“ ist ein eigenständiger Umgang mit dem theologisch-spirituellen Erbe von Klaus Hemmerle, einem „Schatz, der auch heute noch längst nicht gehoben ist“.
Dietlinde Assmus

1) Gebäck aus Marzipan und Mandeln
2) Matthäus 18,20
3) Sekte, die ihren Sitz im Raum Würzburg hat.
4) www.lehrhaus.de

Die Gemeinschaft zwischen allen muss sich auch in der Ruf- und Reichweite zueinander ausdrücken und darin, dass man hinhorcht, ein Stück von der Erfahrung des anderen in die eigene hinein nimmt und sich mit den eigenen Wünschen nicht so weit vom anderen entfernt, dass man sich nicht mehr versteht.
Klaus Hemmerle
(Text auf der Homepage der „Hauskirche Fiat verbum“)

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2014)
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