14. März 2016

Alles war infrage gestellt.

Von nst1

Wie gehen Sie damit um, wenn ein lieber Mensch aus Ihrem Umfeld stirbt?

Es ist nicht lange her, da erwarteten mich innerhalb einer Woche drei Beerdigungen von sehr lieben Begleitern auf meinem Weg; einer von ihnen war mein Vater. Obwohl nicht unerwartet, traf sein Tod uns alle. Sicher, wir waren dankbar, dass er so friedlich gehen konnte. Doch was jetzt? Er fehlt. Ich kann ihn nicht mehr um Rat fragen, nicht mehr am Laufenden halten über das bewegte Leben seiner drei geliebten Enkel. Keine vertraute Stimme am Telefon, keine Diskussionen mehr, und doch ist alles gesagt.
In unserer Familie hat jeder anders reagiert, unter der Anspannung zum Teil auch wenig reflektiert: Schweigen und Rückzug, Verzweiflung und Wut, Dankbarkeit und wunderbare Erinnerungen. Die lange Autofahrt zum letzten Abschied am Friedhof war eine echte Zerreißprobe. Es war nicht leicht, mit der Endgültigkeit zurechtzukommen. Alles, woran ich glauben wollte, wurde infrage gestellt. Irgendwie haben wir es doch geschafft, gemeinsam beim toten Opa zu stehen, einander umarmend, weinend und dankbar, dass wir zusammengehören sogar über den Tod hinaus. Dieser bewegende Augenblick hat uns unglaublich verbunden.
Die Begegnungen rund um das Begräbnis waren dann wirklich ein Auferstehungsfest. Bei so viel Wertschätzung von Freunden, Kollegen und Nachbarn stellen wir uns die Frage: Wie tragen wir dieses Erbe weiter? Ist in mir das Vorbild auch Teil meiner Persönlichkeit geworden?
Die liebsten Menschen – wir müssen sie gehen lassen. Uns bleibt ihre Liebe bis zuletzt, ihr Zuhören, ihre Offenheit, ihr Rat, ihre Anteilnahme an unserem Leben. Und wir bewahren das alles als Mut machende Botschaft, um selbst immer mehr Liebe zu werden für unser Umfeld.
Veronika Dörrer

 

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2016)
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