17. November 2016

„Exkommuniziertes“ ansprechen

Von nst1

Wie kann ich für mehr Tiefe sorgen?

Ich bin seit Langem in einem Kreis, in dem wir uns austauschen, wie wir unser Leben am Wort Gottes ausrichten. Seit einiger Zeit stimmt es zwischen uns nicht mehr so: Die Gespräche werden oberflächlicher; die wirklich wichtigen Dinge macht jeder mit sich selbst aus. Wie kann ich wieder für mehr Tiefe sorgen?

Man sieht, wie sehr Ihnen der Kreis am Herzen liegt! Sie haben offenbar schon viele gute Erfahrungen gemacht, sonst würde Ihnen der jetzige Zustand nicht aufstoßen. Vielleicht hat Ihr Eindruck ja etwas damit zu tun: Trotz der gemeinsamen Ausrichtung unterscheiden sich die Mitglieder in Ihrem Kreis natürlich. Je nach Erziehung, Lebenserfahrungen, persönlichen Werten, Familiensituation und aktuellem Gesundheitszustand können die Unterschiede groß sein. Manchmal denken wir, dass nur die gleiche Sicht aller zur Verbundenheit führt. Das Ansprechen unterschiedlicher Sichtweisen und Empfindungen, die auch stehen gelassen werden dürfen, ohne eine gemeinsame Linie finden zu müssen, fällt dann schwer.

Von der Gruppenmeinung vermutete Abweichungen nicht mehr ins Gespräch zu bringen, führt zwar zu schnellen Einigungen. Allerdings nur zu dem Preis, dass wirklich wichtige, vielleicht kontroverse persönliche Fragen „exkommuniziert“, also nicht mehr angesprochen werden.

Manchmal braucht es den Mut, mit Versöhnungsbereitschaft eine erfahrene Verletzung anzusprechen, damit ein neuer Geist entsteht. Sich den anderen auch mit seinen persönlichen Ungereimtheiten zuzumuten, kann in punkto Verbundenheit und Tiefe der Begegnung einen echten Quantensprung bedeuten! Das Motto „Einheit in Vielfalt“ bedeutet ja auch „Gemeinsamkeit in der akzeptierten Unterschiedlichkeit“.
Sebastian Baumann

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2016)
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