22. November 2018

Dürres Land wird grün

Von nst5

Offener Brief an Yacouba Sawadogo

Sehr geehrter Herr Sawadogo,

wo Sie vor vier Jahrzehnten karges Land vorfanden, steht heute ein vierzig Hektar großer Wald mit sechzig Arten von Bäumen und Sträuchern! Öde Erde fruchtbar machen, das ist gerade in der Sahelzone, in der die Wüste immer mehr an Boden gewinnt, eine kostbare Kunst. Die haben Sie sich über lange Jahre mit großer Geduld und Ausdauer angeeignet.
Als junger Mann arbeiteten Sie als Marktverkäufer. Die Dürrejahre um 1980 jedoch veränderten Ihr Leben. Während Landsleute zuhauf das Landleben aufgaben und ihr Glück in den Städten suchten, wollten Sie bleiben und die Fruchtbarkeit des Bodens erhöhen. „Zaï“ sind kleine Pflanzgruben, die Wasser, Biomasse und Bodenkrume zurückhalten. Sie begannen, mit dieser traditionellen Methode zu experimentieren: mit unterschiedlich großen Gruben; der Nutzung organischer Abfälle wie Viehdung, Asche und Kompost; der Anpflanzung von Bäumen plus Getreidesorten auf demselben Feld. Damit die seltenen Regenmassen nicht ungenutzt ablaufen, versickern und Erosion bewirken, setzten Sie halbmondförmige Erdwälle und Steindämme – kleine an den Pflanzgruben, größere im Gelände. Sie begünstigten die Ansiedlung von Bienen, um die Bestäubung zu erhöhen, errichteten Trinkstellen für Vogel- und Tierarten, damit diese stärker zur Verbreitung von Samen beitragen.
Anfangs wurden Sie für verrückt erklärt, angefeindet, Ihre Ernte in Brand gesteckt. Aber Sie gaben nicht auf, ließen sich nicht vom Ziel abbringen.
Von 1984 an organisierten Sie Versammlungstage für Landwirte aus über hundert Dörfern und richteten „Samenbanken“ ein, um die Vielfalt an Pflanzensorten zu steigern. Über Schulungen haben Sie Ihr erworbenes Wissen mit vielen geteilt. Tausende haben Ihre Techniken gelernt, so die eigenen Ernteerträge gesteigert, konnten selbst in Dürrejahren Getreide anbauen: nicht nur ein Sieg im Kampf gegen Hunger, Armut, Klimawandel, sondern auch die Grundlage dafür, den Frieden in der Region zu sichern und Migration aufzuhalten.
2010 setzte Ihnen der britische Filmemacher Mark Dodd mit der Dokumentation „Der Mann, der die Wüste aufhielt“ ein Denkmal. Heute ermutigen Behörden und Landwirtschaftsverbände in Burkina Faso dazu, die Methode zu nutzen. Sie soll mittlerweile mehrere Zehntausend Hektar Land allein in den Provinzen Yatenga und Gourcy wieder fruchtbar gemacht haben. Auch im Niger wenden Bauern sie an. Eine Folge ist ein Anstieg des Grundwasserspiegels; Brunnen, die vorher monatelang kein Trinkwasser führten, können nun Siedlungen ganzjährig versorgen.
Trotz des Erfolgs ist Ihr Lebenswerk bedroht: Das Land, auf dem die 40 Hektar Wald stehen, ist nicht Ihr Eigentum. Ein Teil soll abgeholzt werden, um Bauflächen zu gewinnen. Schon stehen an seinem Rand die ersten Häuser der sich ausbreitenden Stadt Ouahigouya
Sie haben für unmöglich Gehaltenes erreicht. Womit? Mühen auf sich nehmen, langen Atem bewahren, Rückschläge einstecken, das Wissen um die Abläufe in der Natur wie auch den Wert traditioneller Techniken pflegen: Eigenschaften und Verhaltensweisen, die verloren zu gehen drohen, jedoch für die Lösung der Probleme von morgen unbedingt noch gebraucht werden.
Mit freundlichen Grüßen,

Clemens Behr,
Redaktion NEUE STADT

Yacouba Sawadogo
ist ein Landwirt in Burkina Faso in Westafrika. Er wurde um 1946 in einer armen Familie in der an Mali grenzenden Provinz Yatenga geboren. Für die Weiterentwicklung einer traditionellen Anbaumethode erhält er am 23. November 2018 in Stockholm als einer von sieben Ausgezeichneten den als Alternativen Nobelpreis bezeichneten Right Livelihood Award.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November/Dezember 2018)
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