17. Januar 2019

Frauen nicht als Konsumgut sehen.

Von nst5

Österreich ist wie auch andere westeuropäische Länder Transit– und Zielland zugleich, in dem Frauen und Mädchen sexuell ausgebeutet werden. 

“Die Zahl der Menschen in Prostitution wird auf 10 000 geschätzt, wovon ungefähr zwei Drittel registriert sind. Sie kommen zu 90 bis 95 Prozent aus dem Ausland, besonders aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Nigeria, Tschechei, Slowakei, China.
Die Grenzen zwischen Prostitution, Zwangsprostitution und Menschenhandel sind oft fließend. Hinter der sich nach außen als „freiwillig“ darstellenden Prostitution verstecken sich Zwänge unterschiedlicher Art, Ausbeutung, Gewalt bis hin zu sklavenähnlichen Lebenssituationen. Die Betroffenen werden häufig von Personen aus ihrem (familiären) Umfeld ausgebeutet, sind eingeschüchtert oder traumatisiert.  Vielen fällt es schwer, anderen zu vertrauen, über ihre Situation zu sprechen oder sie sehen sich selbst nicht als Opfer. Aus Angst vor den Konsequenzen sagen die meisten nichts, die Täter bleiben unbekannt und können also nicht strafrechtlich belangt werden.
Die Frauen haben aufgrund der Gewalterfahrungen psychische Probleme (Traumatisierung, psychosomatische Erkrankungen, Probleme mit Alkohol, Drogen). Ihre sozialen Kompetenzen sind oft schon durch die Herkunftsfamilie und die erlittene Gewalt defizitär. Ausgestiegene Frauen sind gegenüber anderen von Misstrauen und Minderwertigkeitsgefühlen geprägt und leben mit der Angst, von ihren Zuhältern und Menschenhändlern wieder gefunden zu werden. Dazu kommt der unsichere ausländerrechtliche Aufenthaltsstatus, Sorgen um den Lebensunterhalt und mangelnde Zukunftsperspektiven. Die Begleitung, Beratung und Unterstützung soll den Frauen helfen, die gemachten Erfahrungen in ihr Leben zu integrieren, das Selbstwertgefühl zu stärken, neue Lebensperspektiven und Fähigkeiten zum selbstverantwortlichen Handeln zu entwickeln. Deshalb fordert SOLWODI, 1 dass flächendeckend Beratungsstellen und Schutzwohnungen geschaffen und finanziert werden, um den Zugang zu Hilfe und Unterstützung zu erleichtern.
Der Blick sollte aber auch auf die Freier gerichtet werden. Die Nachfrage der Männer nach „gekauftem Sex“ fördert den Markt und damit auch den Menschenhandel. Der oft verwendete Begriff „Sexarbeit“ suggeriert dabei den freiwilligen und selbstbestimmten „Verkauf sexueller Dienstleistungen“. Doch er verharmlost Hintergründe und Auswirkungen bei Frauen in der Prostitution und auch deren Freier.
Die Haltung gegenüber Prostitution, Zwangsprostitution und Menschenhandel betrifft nicht nur die Opfer, sondern hat auch Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern und auf das Bild von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft. SOLWODI favorisiert deshalb das „nordische Modell“, welches ein gesetzliches Verbot von Sexkauf anstrebt. Dadurch würde eine Veränderung der Sichtweise möglich und Frauen nicht länger als Konsumgut und Ware hingestellt.
Mann und Frau als Abbild Gottes (vgl. Genesis 1,27) und nicht als Konsumgut für den anderen ist das Ideal, dem der Einsatz von SOLWODI gilt.”

Sr. Anna Mayrhofer, 1966, Franziskanerin Missionarin Mariens, Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin, arbeitet seit 1998 bei SOLWODI. 2012 übernahm sie die Leitung der Schutzwohnung in Wien. Seit 2017 ist sie im Leitungsteam von SOLWODI Österreich.

1 SOLWODI (= Solidarity with women in distress – Solidarität mit Frauen in Not) wurde 1985 von Sr. Lea Ackermann gegründet und engagiert sich für Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt, Ausbeutung, Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zwangsheirat sind. www.solwodi.de, www.solwodi.at

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2019)
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