18. Juni 2024

Wie für mich geschaffen

Von nst5

Thomas Wollinger

Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen beruflichen Wechsel? Thomas Wollinger schildert, wie er diese Entscheidung getroffen hat – und mit wem.

Foto: privat

Thomas Wollinger, geboren 1971, hat mit dem Schwerpunkt Cyber-Sicherheit promoviert. 2004 gründete er mit seinem Doktorvater und anderen ein Start-up für Verschlüsselungstechnik in der Automobilindustrie. Fast 20 Jahre lang war er dessen Geschäftsführer – auch dann, als die Firma von einem großen Unternehmen übernommen wurde und schließlich gut 400 Mitarbeiter hatte. Vor einem Jahr wechselte er als Innovationsmanager zur „Bochum Wirtschaftsentwicklung“. Seit 1. April 2024 ist er dort Geschäftsführer. Thomas Wollinger lebt in Solingen, ist verheiratet und hat drei Kinder.


Die Firma war so etwas wie mein „Baby“. Vom Moment der Gründung an war ich in leitender Position beschäftigt. Was als Start-up mit wenigen Leuten begonnen hatte, war zu einer international tätigen Bosch-Tochter mit über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angewachsen. Über 20 Jahre hinweg waren Beziehungen zu Mitarbeitern und Kunden gewachsen, die mir viel bedeuteten. Ich habe mit viel Spaß gearbeitet.
Und doch! Irgendwann kamen ernste Zweifel, ob es so weitergehen konnte und sollte. Meine Gesundheit war angeschlagen. Trotz des Bemühens, alles unter einen Hut zu bekommen, kamen meine Familie und auch meine Fokolargemeinschaft, also mein geistliches Zuhause, zu kurz. Und – ich war inzwischen 50 geworden – wenn ich in meinem beruflichen Leben noch etwas anderes machen wollte, dann wurde es Zeit.
Der innere Anstoß zu einer Veränderung war also da. Doch ich bin nicht sicher, ob ich sie ohne meine Frau und einige Männer aus der Fokolargemeinschaft auch vollzogen hätte. Vermutlich hätte es noch ein paar Jahre länger gedauert. „Wir wollen, dass du deine Rente noch erlebst“, meinte jemand aus meinem Fokolar unverblümt. Und mit meiner Frau konnte ich die Bedürfnisse aller in der Familie in den Blick nehmen.
Ich spürte deutlich, dass die Menschen, die mir zu einem beruflichen Wechsel rieten, es gut mit mir meinten. Und gleichzeitig – auch das war mir klar – konnte ich nicht einfach das tun, was andere mir sagen. So sprach ich ausführlich mit meinem Coach, der mir schon seit einigen Jahren zur Seite stand. Als mir klar wurde, dass ein Arbeitswechsel nicht bedeuten würde, dass ich vor etwas Ungelöstem in mir weglaufen würde, auf das ich bei jeder neuen Arbeit erneut stoßen würde, war der Weg frei. Ja, ich kann und will wechseln. Von diesem Moment an war es für mich auch kein Problem, dass eine neue Stelle – zumindest von außen betrachtet – ein Schritt zurück sein würde, mit weniger Verantwortung und auch weniger Gehalt.
Aber wie sollte die neue Stelle aussehen? Was kann ich? Was will ich? Und wo geht das? Recht schnell wurde mir klar, dass ich die über viele Jahre hinweg gesammelte Erfahrung gerne möglichst vielen zu Verfügung stellen möchte. Als ich diese Gedanken mit einem der beiden Geschäftsführer der „Bochum Wirtschaftsentwicklung“ teilte, rief er mich wenige Tage später an, um mir zu sagen, dass er eine Stelle für mich schaffen wolle. So begann ich im April 2023 bei diesem Unternehmen, das den Wirtschaftsstandort Bochum fördert, und ich kann sagen: Diese Arbeit ist wirklich wie für mich geschaffen.
Nach nur gut einem halben Jahr stellte sich heraus, dass der Geschäftsführer, der mich eingestellt hatte, seine Arbeitszeit reduzieren möchte. Bei einem Gespräch fragte mich Bochums Oberbürgermeister, ob ich an seine Stelle treten könne. Ich habe zugesagt und bin seit Anfang April Geschäftsführer. Nun habe ich noch mehr Möglichkeiten, das zu tun, was ich kann und möchte.
Was meine Frau und das Fokolar dazu sagen? Sie sehen, dass es mir gut geht, auch gesundheitlich. Sie freuen sich mit mir – und sie bleiben wachsam.


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Mai/Juni 2024.
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