4. Dezember 2024

Hineinbegeben

Von nst5

Oft kommt mir der Gedanke: „Ein ganz schönes Pulverfass,

auf dem wir da sitzen!“ Der Krieg im Nahen Osten, in der Ukraine, die unterschiedlichen „Lagerbildungen“ in Europa, unserer Gesellschaft, in den Kirchen: Die Menschheitsfamilie hat gerade wenig Heimeliges. Manchmal scheint es, als gäbe es mehr Gegeneinander als Miteinander. Und manchmal möchte ich Augen und Ohren verschließen, mich abwenden oder gar davonlaufen. Mich in eine heile, friedliche Welt zurückziehen.

Titelbild: (c) iwat1828 (iStock)

Die nahende Advents- und Weihnachtszeit wünschen wir uns als solch friedliche Zeit. Nicht zuletzt die Werbung befeuert dieses Gefühl ja auf allen Kanälen. Auch die kürzeren Tage und das meist unwirtliche Wetter treiben uns in gemütliche Umgebungen. Für Christen ist sogar das Bild der „Heiligen Familie“, die an Weihnachten im Mittelpunkt steht, oft recht idealtypisch und idyllisch ausgemalt. Dabei waren auch damals die Umstände wenig heimelig: eine junge Schwangere, ein Pflegevater mit bedrängenden Fragen, eine Geburt in fragwürdigen, erbärmlichen Umständen. Auch damals gab es kriegerische Auseinandersetzungen, Lagerbildungen, Machtkämpfe. Und dennoch: Gott hat sich mitten hineinbegeben in diese Menschheit, hat sich dem ausgesetzt, ist verletzlich geworden.
„Seine Familie kann man sich nicht aussuchen.“ Wie so manche Redewendung enthält dieser Satz viel Wahres und hat doch auch Grenzen. Sicher, die Familie und manchmal auch die Menschen, mit denen ich täglich zu tun habe, kann ich mir nicht oder nur bedingt aussuchen. Genauso wenig wie ich aus der Menschheitsfamilie fliehen kann. Aber: Ich kann mich bewusst hineinstellen. Hinschauen, aufnehmen. Gemeinsam mit anderen das Gute suchen und mich dafür einsetzen. Zuhören. Manchmal die Hilflosigkeit „einfach nur“ aushalten. Dem, der anderen respektvoll begegnen. Immer wieder neu einen Schritt wagen und der Stimme folgen. Und immer wieder neu glauben, dass all das nicht verlorengeht – und für das große Ganze zählt, selbst wenn ich es nicht unmittelbar sehen kann.
Die aufgezählten Haltungen werden Ihnen in den verschiedenen Beiträgen dieses Heftes begegnen. Mich haben sie nachdenklich gestimmt. Sicher, ich kann nicht unmittelbar die vielen Probleme meiner Menschheitsfamilie lösen. Aber ich kann mich ganz auf die Person, der ich begegne, und die Situation, die gerade dran ist, einlassen; das ist herausfordernd genug! Und darf dann darauf vertrauen, dass für Gott nichts unmöglich ist, wie das „Wort des Lebens” vom Dezember uns zusagt.
Und dann darf ich mich an Wärme, Geborgenheit, Licht, Frieden auch freuen. Schließlich hat Gott sich in die Menschheit hineinbegeben, um uns genau dieses zu schenken.
Eine erfüllte Zeit wünscht Ihnen,
Ihre
Gabi Ballweg

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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, November/Dezember 2024.
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