3. Februar 2022

Magst du mich so auch noch?“

Von nst5

Robert Krasanovsky

Foto: privat

lebt in Baden bei Wien. Der pensionierte Sonderschullehrer wird im März 80 Jahre alt. 53 Jahre war er mit Monika verheiratet, die im Mai 2020 verstarb. Er hat vier Kinder und ein Enkelkind.

Vor gut anderthalb Jahren ist meine Frau Monika gestorben. Nach 53 Jahren Ehe. Seither ist nichts mehr, wie es vorher war. So jedenfalls scheint es mir. In vielen Momenten spüre ich die Einsamkeit sehr stark. Monika fehlt. Ich frage mich dann: „Warum bin ich noch da? Wäre ich nicht besser bei ihr?“
Ich kann mich ganz gut beschäftigen. Ich male Mandalas. Ich sehe dann, was ich geschafft habe, und schaue nicht sinnlos in die Luft. Zwei bis drei Stunden am Tag gehe ich spazieren. Das hilft, Neues zu sehen und manches neu zu sehen. Aber wenn ich zurück in die Wohnung komme, ist es ruhig, viel zu ruhig.
Die Kinder kümmern sich um mich. Ich gehe mit dem einen oder anderen Freund aus. Ein unternehmungslustiger Witwer nimmt mich regelmäßig zu Ausflügen mit. Und doch: Die Zeit allein ist lang. Jetzt in der Pandemie ganz besonders.
„Warum hast du das zugelassen?“, frage ich Gott immer wieder. Und ich lerne auszuhalten, dass er mir nicht antwortet, jedenfalls nicht so, dass ich es verstehe. Mein ganzes Leben habe ich mich von Gott geliebt gewusst. Heute schaut seine Liebe so aus: rätselhaft.
Ich fahre nicht mehr Auto. Jahrzehntelang bin ich wöchentlich in meine Fokolar-Gemeinschaft gefahren. Das geht nicht mehr. Manchmal kann ich per Zoom dabei sein. Dafür bin ich dankbar. Aber es ist nicht das Gleiche. Manchmal denke ich, sie haben mich vergessen. Aber das stimmt ja gar nicht. Immer wieder kommt jemand von ihnen zu mir. Das Zeitgefühl ist einfach ganz anders, wenn man allein ist. Und vielleicht sollte ich die Zurückhaltung ablegen, die aus dem Wunsch rührt, niemandem zur Last fallen zu wollen.
Allein-Sein ist nichts völlig Neues in meinem Leben. Als Kind durfte ich keine Freunde mit nach Haus bringen. Wir waren zu siebt – die Eltern und fünf Kinder – in einer kleinen Wohnung. Die Geborgenheit, einen Freund zu haben, mit dem ich alles besprechen kann, habe ich erst spät erfahren.
Besonders schlimm ist es, wenn ich anfange zu grübeln. Dann fürchte ich mich vor dem, was kommt. Ich bin dankbar, in meinem Leben gelernt zu haben, mich bewusst in den Augenblick zurückzuholen. Was nützt es, wenn ich mir etwas vorstelle, was vielleicht nie eintritt? Dann frage ich mich: Wer würde sich jetzt über einen Anruf von mir freuen? Oder ich lese einen meditativen Text.
Ein schöner Spruch lautet: „Wenn Gott einen Narren braucht, lässt er ihn Witwer werden.“ Man macht sich manchmal verrückt mit dem Gedanken, den Rest des Lebens ohne Partnerin zu sein. Ich habe mich dagegen entschieden. Ich würde jede Frau mit Monika vergleichen, und keine hätte eine Chance gegen sie.
Meine gesundheitlichen Aussichten sind offen. Eventuell brauche ich Bestrahlungen. Aber ich habe mein Leben bis jetzt gemeistert. Auch jetzt möchte ich mit Gott einen liebenden Weg gehen. Er ist immer da. Manchmal ist es wie im Fasching. Er verkleidet sich neu, zeigt sich mir und fragt: „Magst du mich so auch noch?“

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2022)
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