15. März 2009

Kinderlogik

Von nst_xy

Gerechtigkeit unter Geschwistern

Ist noch Kuchen von gestern da?”, erkundigt sich eines unserer Kinder. Das nächste Kind schaltet sich sofort ein: „Ich war gestern nicht da, also bekomme ich heute zwei Stücke.” Das dritte Kind meint daraufhin: „Alle haben gestern zwei Stücke gegessen, nur ich nicht – also steht mir ein Stück mehr zu!” Als der Kuchen schließlich auf dem Tisch steht, schreit der Jüngste – sprechen kann er noch nicht – laut verlangend auf. Sollte er deswegen etwa die größte Portion bekommen?

Der Einfachheit halber bekommen alle gleich viel, obwohl es für den Jüngsten zu viel ist. Wenigstens ist nun Ruhe.

Aber ist das gerecht? Was bedeutet eigentlich Gerechtigkeit in der Familie? Für alle das gleiche? Mit Schokolade mag Teilen zu gleichen Teilen noch möglich sein. Mit dem Taschengeld wird es schon schwieriger. Und bei der Anschaffung von Haarspangen ist man mit der Weisheit schnell am Ende, wenn es auch Jungen in der Familie gibt.

Sicherlich ist es für Kleinkinder schwer zu verstehen, dass nicht jede Zuwendung zu gleichen Teilen passieren kann. Sie verstehen Gerechtigkeit als Erhalt von gleichen Dingen und gleicher Zuwendung im gleichen Moment. Aushalten und Abwarten lernen ist nicht einfach.

Eltern müssen hier ein wenig erfinderisch sein und das einzelne Kind in den Blick nehmen. Dann erkennen sie dessen Eigenheiten und Vorlieben. Gerade die

Gerechtigkeit verlangt, mal das eine, mal das andere Kind besonders wahrzunehmen. Das kann mit einem Kind ein Einkaufsbummel sein, ein anderes Kind braucht ungeteilte Aufmerksamkeit, wenn es langatmig eine Geschichte erzählt. Letztlich sind es diese persönlichen Momente, die den Zusammenhalt der Familie erhalten.

Die Sache mit dem Kuchen bleibt allerdings vertrackt. Denn es gibt ein letztes Stück. Und das schnellste Kind ruft: „Ich habe schon aufgegessen, also habe ich den meisten Hunger!” Und schon gibt es wieder Geschrei!
Rita Meyer

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2009)
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