10. März 2010

Einfach und selbstverständlich

Von nst_xy

Nun, ich bin Schlesier“, sagt Bischof Alfons Nossol gleich zu Beginn unseres Interviews auf die Frage, warum er sich sein Leben lang für Versöhnung eingesetzt hat.

Und mit derselben entwaffnenden Einfachheit und Selbstverständlichkeit sagt er gegen Ende des Gesprächs: „Ich wollte eigentlich nicht Brücken bauen. Aber als Bischof muss man Brückenbauer sein. Wenn man die Aufgabe annimmt, muss man konsequent sein.“ Er hätte auch sagen können: „Ich bin einfach der, der ich bin. Und da, wo ich stehe, nehme ich die Verantwortung wahr, die dieser Platz mit sich bringt.“Es ist ein faszinierendes Lebensprogramm, das sich in diesen zwei Sätzen ausdrückt: Da hat sich zum einen jemand in seinen Grenzen und seinen Begabungen erkannt und voll und ganz bejaht. Zum  anderen bejaht er den Platz, an dem er steht, für den er sich vielleicht selbst entschieden hat oder der ihm durch Umstände oder andere vorgegeben ist. Und an diesem Platz nimmt er – im Rahmen seiner Grenzen und Begabungen – Verantwortung wahr für sich, für andere, für seine Umwelt. Die Konsequenzen sind in jedem Fall bemerkenswert.

Manchmal haben sie – wie im Falle von Bischof Nossol – historische, Länder und Völker übergreifende Dimensionen, andere Male sieht man die Auswirkungen erst im Rückblick auf ein langes Leben. Ursula Tscheschner ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Die Treue zu einer aus dem Blick auf Auschwitz entstandenen historischen Verpflichtung hat sie an viele Plätze geführt. Überall hat sie – im Rahmen ihrer Grenzen und Begabungen – Verantwortung übernommen: als erste deutsche Fokolarin, als erste eigenständige Redakteurin dieser Zeitschrift, beim Aufbau der Fokolar-Bewegung in der DDR, beim Aufbau des Ökumenischen Lebenszentrums in Ottmaring, beim Aufbau einer Modellsiedlung an der Elfenbeinküste. In der  jeweiligen Situation mag ihr Einsatz in ihren eigenen Augen oder denen anderer nicht viel mehr gewesen sein als die selbstverständliche Wahrnehmung der ihr gestellten Aufgabe. Im Blick zurück offenbart sich jedoch eine großartige Pionierleistung, die Respekt und Dankbarkeit hervorruft.

Ähnliches mag Maria Voce, die Präsidentin der Fokolar-Bewegung, auf ihrer Asienreise empfunden haben. In all den Ländern, die sie mit ihrer Delegation besucht hat, haben Menschen – oft schon Jahrzehnte lang – mit großer Selbstverständlichkeit an ihrem Platz ihre Verantwortung wahrgenommen. Das Ergebnis ist vielfältig und eindrucksvoll: In Korea hat die Bewegung an die 200 000 Anhänger und prägt sogar den Umgang der Parlamentsabgeordneten miteinander. In Japan scheint die Zahl der Fokolare verschwindend gering, aber sie sind Gesprächspartner für eine der größten buddhistischen Laienbewegungen. In den Philippinen hat die Fokolar-Bewegung einen starken sozialen Anstrich. Und in Thailand hat sie buddhistischen Mönchen einen Zugang zum innersten Geheimnis des Christentums eröffnet. Sich selbst annehmen und dann Verantwortung übernehmen für den Platz, an dem man steht! Ein faszinierend einfaches Programm!

Joachim Schwind

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2010)
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