11. Mai 2010

Bruchlandung im 21. Jahrhundert

Von nst_xy

Die römisch-katholische Kirche ist im 21. Jahrhundert gelandet. Die Einrichtung, die – zu Recht -darauf aufmerksam macht, dass sie die älteste globalisierte Instanz sei, ist im Zeitalter der Globalisierung angekommen. Und die Organisation, die über ein ganz außerordentlich engmaschiges, weltweites Netzwerk verfügt, findet sich wieder in der Ära des World-Wide-Web.

Doch die Ankunft dieser Kirche im ersten Jahrhundert des zweiten Jahrtausends scheint eine Bauch-, wenn nicht sogar eine Bruchlandung gewesen zu sein: Auf die weltweiten Enthüllungen von Übergriffen auf Kinder durch Amtsträger oder in kirchlichen Einrichtungen reagierte diese Kirche zögerlich, ängstlich, abwehrend, bisweilen sogar ignorant. Von der Schnelligkeit, mit der das Internet weltweite Reaktionen hervorruft, scheint sie rettungslos überfordert.
Die römische Kirche steckt in einer schweren Krise. Ihr Erscheinungsbild ist fatal. Wenn man sich in Internet-Foren nur über sie lustig macht, kommt sie noch gut weg. Für eine große Zahl der Gläubigen ist das schwer erträglich: Diejenigen, die ohnehin schon Mühe mit dieser Kirche hatten, drehen ihr den Rücken zu. Andere beschimpfen in Wagenburg-Mentalität die böse Welt und ihre feindseligen Medien und riskieren dabei, ihre tiefste Berufung als Christen zu verlieren: Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Und viele fühlen sich einfach völlig zu Unrecht mitverurteilt, mitverspottet oder gar mitbeschimpft für die Schandtaten einiger weniger und die unfähigen Reaktionen darauf.
Dass es genau damit seine Richtigkeit hat, darauf hat der Wiener Kardinal Schönborn in der Karwoche hingewiesen. Die tiefere Ursache dafür, „dass wir immer mit der Kirche haftbar gemacht werden”, sieht Schönborn in der Tatsache, das wir „die eine Kirche” glauben. Diese Kirche ist – so der Wiener Kardinal – „der Leib Christi” und wenn an diesem Leib – nach dem Korintherbrief – „ein Glied leidet, dann leiden alle Glieder mit und wenn ein Glied geehrt wird, dann freuen sich alle mit.”
Es geht also um die Einheit der Kirche, aus der sich niemand, der zu ihr gehören will, innerlich davonstehlen kann. Doch diese Einheit darf, wie bereits gesagt, kein Rückzug in eine Verteidigungsbastion sein. Es ist eine Einheit in der Wahrheit: In jedem Gottesdienst bekennen wir alle, Gemeinde und Priester, dass wir Sünder sind. Ich kann – in einem gewissen Rahmen -gut mit einem Amtsträger leben, der offen und ehrlich ein Versagen eingesteht und so vielleicht den Nimbus der Fehlerlosigkeit verliert. Und ich meine nicht, dass die Glaubwürdigkeit der Verkündigung darunter leiden muss. Petrus, der erste Papst, ist ein gutes Beispiel dafür.
Eine weitere Facette der Einheit ist die Liebe, die mit der Wahrheit einhergehen muss. Zur Liebe gehört auch die Scham für die Fehler der anderen, die zu mir gehören, und die Bereitschaft zur Buße, die Papst Benedikt mehrfach eingefordert hat – auch von denen, die sich ohne Sünde wähnen.
Die Einheit der Kirche ist nicht zuletzt eine Einheit im Heiligen Geist, der, wie es in unserem Interview deutlich wird, jeden mit Gaben ausgestattet hat, die der Kirche nutzen können. Wenn die Bruchlandung der römischen Kirche ins 21. Jahrhundert hinein dazu führt, dass diese Begabungen stärker zum Zug kommen, dann hat sich die Krise gelohnt.
Ihr
Joachim Schwind

„Gott sagt zum Menschen nicht: Du musst zuerst anders werden, damit ich dich annehmen kann, sondern weil er ihn annimmt, kann der Mensch anders werden, gibt es einen Weg nach oben.”
Klaus Hemmerle

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2010)
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