24. Mai 2012

Interkulturell arbeiten

Von nst1

Andere Länder, andere Sitten. Das mag im Urlaub Spaß machen. Aber wie ist das, wenn man mit Menschen anderer Kulturen wirtschaftliche Ziele erreichen möchte? Geschäftsführer Winfried Czilwa hat sich mit unterschiedlichen Kulturen auseinandergesetzt. Er ist überzeugt, dass fremde Kulturen in Zeiten der Globalisierung keinen Halt vor dem eigenen Unternehmen machen.

Herr Czilwa, warum halten Sie interkulturell Besetzte Teams künftig für unverzichtbar?
Czilwa: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass kein Unternehmen mehr ausschließlich im Inland tätig sein kann. Es geht ja nicht nur um Export, sondern um das internationale Geschäft, die internationale Konkurrenz. Die Kunden schauen sehr wohl ins Ausland. Und Asien bietet definitiv interessantere Preise. Teilweise stimmt zwar die Qualität noch nicht, aber darauf kann man warten. Da nur auf den heimischen Markt zu schauen, halte ich für gefährlich.

Ist Asien eine Kultur, mit der wir uns besonders beschäftigen sollten?
Czilwa: Ja, aber man darf nicht vergessen: China, Indien oder Singapur haben jeweils komplett unterschiedliche Kulturen. Als Unternehmer muss ich mich damit auseinandersetzen, wie Mitarbeiter in der jeweiligen Kultur geführt werden wollen. Was asiatische Arbeitnehmer zum Beispiel gemeinsam haben: Sie kommen nicht so schnell auf den Punkt. Und sie sind auch nicht gewohnt, eigenständig Ziele zu erreichen. Lieber werden sie konkret in einer Aufgabe geführt und angeleitet. Einen anderen großen Markt sehe ich in Südamerika. Viele deutsche Firmen haben vor etwa 20 Jahren schlechte Erfahrungen in Brasilien gemacht, aber das Land hat sich weiterentwickelt. Der deutsche Markt sollte sich immer wieder mit den verschiedenen Kulturen auseinandersetzen.

Wie geht man mit kulturellen Unterschieden um?
Czilwa: Wir müssen die verschiedenen Kulturen kennen, ernst nehmen und die Unterschiede verstehen, damit wir ans Ziel kommen. Ein Inder fordert beispielsweise immer mehr, als er haben kann. Während man sich in der letzten Verhandlung schon am Ziel glaubt, gibt er einem das Gefühl, man hätte ihn über den Tisch gezogen. Nur wer solche Dinge weiß, kann damit umgehen. Wenn man langfristig mit einem Partner zusammenarbeiten und nachhaltig Erfolg haben möchte, ist das Wissen um die Kulturen unerlässlich. Allerdings muss man davon ausgehen, dass Kulturen nicht statisch sind und sich verändern. Deswegen ist es wichtig, immer respektvoll zu bleiben, zuzuhören, behutsam auszuprobieren und nicht einfach mit der Tür ins Haus zu fallen.

Gibt es da ganz typische Konfliktfelder?
Czilwa: Meist entstehen Konflikte, weil man sich nicht versteht. Deshalb muss man in interkulturellen Teams eine Sprache finden, die alle verstehen. Aber dann kommen die kulturellen Barrieren hinzu, und die hängen nicht nur an der Sprache. In Teams, die über einen längeren Zeitraum miteinander arbeiten sollen, empfiehlt es sich deshalb, dass man sich auch mit der Kultur auseinandersetzt. Dafür reicht auch eine halbe Stunde, in der jedes Teammitglied drei Dinge der eigenen Kultur nennt, die es besonders schätzt und drei Merkmale, die schwierig sind. Bleiben wir in Deutschland: Der Ostfriese schätzt, dass man bei ihnen auch mal schweigen kann. Und der Rheinländer findet es gerade gut, dass man dort alles immer ausführlich und breit besprechen kann. Dass man das ausdrückt und der andere das einzuordnen weiß, hilft, die Kultur des anderen besser zu verstehen und dann auch entsprechende Verhaltensweisen in der Zusammenarbeit einzuordnen. Wichtig ist dabei einerseits, dass man selbst preisgibt, was man schätzt und was man schwierig findet und es nicht von den anderen gesagt bekommt, weil man dann eher in Verteidigungshaltung geht. Der andere, fast noch wichtigere Teil bei dieser Übung ist das Zuhören. Das Aufnehmen der Botschaft, die der andere sendet. Außerdem muss man sich bei interkultureller Zusammenarbeit vor Augen halten, dass man bewusst oder unbewusst die eigene Kultur immer als überlegen betrachtet. Das hat auch historische Gründe, aus der Kolonialzeit, und steckt in den meisten Menschen tief drin. Und da muss man aufpassen: Dass man das im interkulturellen Team ablegt und dann die eigene Ethik klar kommuniziert.

Wie sieht es da mit ethischen Unterschieden aus? Sind die immer überwindbar?
Czilwa: Ich finde es wichtig, dass man seinen ethischen Maßstäben treu bleibt und zu seinen Werten steht. Grenzen kann es dann geben, wenn ganz allgemein Machenschaften ins Spiel kommen, die nicht überall üblich sind. Wenn ich also Bestechung nicht mitmachen möchte, sollte ich das meinem Gegenüber mitteilen. Aber auch hier ist es wichtig, die Kulturen zu kennen und zu unterscheiden: Dient eine Zahlung oder ein Geschenk zur Bestechung, zur Vorteilnahme gegenüber einem anderen? Gewinne ich einen Wettbewerb nur deswegen? Oder zeige ich einfach meine Annerkennung nach einem Geschäft, wie es beispielsweise im Orient zum guten Ton gehört? Das Wichtigste in allem ist meiner Meinung nach Respekt. Unsere Werte sind nicht die „einzig wahren“. Aber: Wenn der andere meine Werte nicht respektieren kann, ist er vielleicht nicht der geeignete Geschäftspartner. Meiner Erfahrung nach findet man jedoch in jedem Land Menschen, die unsere Ethik akzeptieren.

Also kann man christliche Werte leben trotz unterschiedlicher Religionen?
Czilwa: Christliche Werte in einem Unternehmen sind: Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, kein Diebstahl — weder geistig noch materiell, keine Korruption, Nächstenliebe… Diese Werte sind aus meiner Sicht sehr wichtig, stehen aber nicht im Widerspruch zu den anderen Weltreligionen. Das Wichtige ist, die Werte nicht nur zu kommunizieren, sondern sie auch zu leben. Wenn wir nicht authentisch sind, nimmt man uns das alles nicht ab. Es funktioniert einfach nicht, international eine andere Ethik zu leben als daheim.

Wie geht man mit Mitarbeitern aus anderen Kulturen um?
Czilwa: Es ist immer gut, Regeln, wie man miteinander umgehen möchte, klar und deutlich zu kommunizieren. Regeln helfen, Klarheit zu schaffen. Das Vorleben der eigenen Werte ist wichtig, aber man sollte sie auch schriftlich — zum Nachlesen — festhalten, darüber reden und Unterschiede klären.

Was halten Sie für unerlässlich in der interkulturellen Zusammenarbeit?
Czilwa: Den gesunden Menschenverstand walten zu lassen und gut vorbereitet zu sein. Da ist es völlig egal, ob es sich um ein internationales Team oder ein nationales handelt. Man muss sich über das Ziel im Klaren sein und es klar vorgeben. Dann kann man sich immer wieder einmal fragen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist.

Vor dieser deutschen Klarheit und Zielstrebigkeit schrecken aber viele Kulturen auch zurück.
Czilwa: Das stimmt. Und doch würde ich an dieser Vorgehensweise nichts ändern: Die saubere Vorbereitung und Zielsetzung ist wichtig. Aber in Zusammenarbeit mit den Asiaten muss ich dann in Betracht ziehen, dass es auch eine lange Vorlaufphase zum Aufwärmen braucht. Ich muss zuhören können. Und damit tun wir uns schwer. Deshalb müssen wir uns das Zuhören besonders auf die Fahne schreiben, wenn wir mit Asiaten oder anderen Kulturen unterwegs sind. Und dann immer wieder prüfen, ob das Bild, das bei mir entstanden ist, auch beim anderen entstanden ist. Es wäre fatal, wenn ein Team auseinandergeht und erst drei Wochen später merkt, dass sie sich nicht verstanden haben. Da braucht es viel Geduld, Zuhören und eine gewisse Aufrichtigkeit untereinander. Und um das zu lernen, gibt es kein Patentrezept; das muss man üben!

Was kann helfen?
Czilwa: Ich habe einen Satz aus der Bibel, der mir hilft: Im ersten Korintherbrief 9,20 schreibt Paulus: „Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen.“ Für mich ist die Botschaft klar: sich einlassen; auch auf das, was mir fremd ist; es schadet mir ja nicht. Und es geht nicht darum zu überzeugen, wie wir in unserer Kultur oft meinen, sondern darum, sich einzulassen.

Wo können unterschiedliche Kulturen dann auch ein Segen sein?
Czilwa: Unterschiede dienen dazu, die eigene Kultur zu hinterfragen. Wir können uns in Toleranz üben, ohne das eigene Verhalten aufgeben zu müssen. Natürlich bleibt die Frage: Wo kann ich tolerant sein, wo nicht? Aber auch: Wo kann ich aufgeschlossener sein und von der anderen Kultur lernen? Anfangs empfindet man seine eigene Kultur oft als besser. Aber irgendwann fällt einem plötzlich vieles auf, das in der Heimatkultur besser sein könnte. Brasilianer sind zum Beispiel sehr locker, wo Deutsche oft verbissen sind. Unterschiede können also auch sehr wohl zur Ergänzung und zum Segen werden.

Gabi Ballweg

Winfried Czilwa, 1962 geboren, verheiratet, drei Kinder, war für die Firma AEG bis 1996 in Brasilien. Danach führte er bis 2005 Tochtergesellschaften der Deutschen Bahn AG und ist seit 2006 Geschäftsführer bei Hailo in Haiger. Er ist aktives Mitglied der Freien evangelischen Gemeinde Herborn. Czilwa engagiert sich auch beim alle zwei Jahre stattfindenden Kongress Christlicher Führungskräfte. Der nächste findet vom 17. bis 19. Januar 2013 in Leipzig statt.
www.fuehrungskraeftekongress.de

Wir danken für die freundliche Unterstützung durch den Kongress Christlicher Führungskräfte.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2012)
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