24. Mai 2012

Schöne Worte

Von nst1

Wann und wie Worte wirken

Zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus: Radio, Fernsehen, Zeitungen, Telefon, Mails, Facebook, die direkten Gespräche nicht zu vergessen. Oft bin ich überfordert vom Schwall der Wörter, von der Bleiwüste der Buchstaben. Viele leere Worthülsen sind darunter. Aber auch unter den wichtigen Informationen, Gedanken und Meinungen können nicht alle hängen bleiben. Das ist die eine Wahrheit.
Die andere Wahrheit ist – Worte haben eine enorme Wirkung: Gerüchte können vernichtend sein; Menschen tragen ein Leben lang an seelischen Verletzungen, die ihnen durch Worte zugefügt wurden; machtvolle Worte können Massen bewegen, liebevolle Worte können beflügeln, aufmunternde motivieren, sanfte beruhigen und versöhnen. Sebastian Baumann stellt unter der Rubrik „Nachgefragt – Psychologie“ Sinnsprüche vor, die oft bei persönlichen Schwierigkeiten hilfreich sind.
Ob ein Wort an mir abprallt oder mich trifft und bewegt, hängt auch von meiner Aufnahmebereitschaft ab und von meiner Lebenssituation. Ein Wort, das jemandem zunächst nichts sagt oder ihn sogar abstößt, kann ihm Jahre später entscheidende Impulse für sein Leben geben. Beispiele dafür finden Sie in der Reportage „Anker und Kraftquelle“. Offenbar spielt auch der richtige Zeitpunkt eine Rolle dabei, ob ein Wort seine Wirkung entfalten kann.
Die persönlichen Lebensgeschichten rund um die Konfirmationssprüche, die Pfarrer Jörg Schlüter „eingesammmelt“ hat, machen nachdenklich: Welche Worte geben mir Halt, prägen mein Leben, geben ihm Sinn und Richtung? Unweigerlich fühle ich mich auf das monatliche „Wort des Lebens“ und die Erfahrungsberichte verwiesen.
Worte können reißerisch sein und deshalb große Verbreitung und Aufmerksamkeit finden. Das heißt noch nicht, dass sie auch nachhaltig sind. Entscheidend ist, wie stark die Beziehung zwischen „Sender“ und „Empfänger“ des Wortes ist – unabhängig davon, ob der Sender nun Gott oder ein Mitmensch ist. Entscheidend ist, ob der Hörer oder Leser dem Sprecher oder Schreiber vertraut. Vertrauen wiederum entsteht leichter, wenn der Sprecher mit seiner Person, mit seinem Leben hinter der Aussage steht, wenn er also glaubwürdig ist. Den Worten müssen auch Taten folgen. Oder besser: Wenn die Worte den Taten folgen, sind sie umso glaubwürdiger. Dass die Kunstlehrerin, die wir unter „Leute“ vorstellen, bei ihren Schülern so beliebt ist, hängt wohl genau damit zusammen.
Zum einen sollten wir also unsere inneren Antennen aufstellen, um die für uns wichtigen Worte zu empfangen. Zum anderen können wir auch die Voraussetzungen schaffen, um nicht unnütze Worte zu machen, sondern hilfreiche: indem wir auf Beziehungen setzen, Zeugnis geben von dem, was wir erleben, glaubwürdig sind und vor allem Taten sprechen lassen. Ein herausforderndes Programm, das sich aber lohnt. Denn „Worte sind Luft“, sagt der Schriftsteller Arthur Koestler. „Aber die Luft wird zum Wind, und der Wind macht die Schiffe segeln.“

Ihr
Clemens Behr

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2012)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München