22. Oktober 2014

Verbinden und vernetzen

Von nst1

Dass ihre Pfarrgemeinde immer mehr ein Zuhause für viele wird, dafür setzen sich Angelika und Alfons Dachs-Wiesinger in Graz-Gösting ein.

Als einen Ort, wo andere wie auch sie selbst sich wohlfühlen können, wünscht sich das Ehepaar Dachs-Wiesinger „seine Pfarre“. Und dafür engagieren sie sich gern und viel: Musikgruppe, Festkomitee, Pfarrgemeinderat, Wirtschaftsrat, ehrenamtlicher Mesnerdienst, Ministrantengruppe und Besuchsdienst.

Seit 1999 leben Angelika und Alfons Dachs-Wiesinger mit ihren inzwischen vier Kindern – Jonas (9), Johanna (11), Jakob (15) und Judith (19) – in Graz-Gösting. Beide stammen aus Oberösterreich, wo sie sich auch kennengelernt haben. Alfons hat es für das Studium (Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau) dann nach Graz verschlagen, während Angelika in Innsbruck Chemie und Französisch auf Lehramt studierte.

Nach ihrer Hochzeit 1993 bezogen die beiden zunächst eine Wohnung in der Grazer Stadtmitte. Wie viele andere junge Familien wollten sie dort aber nicht bleiben und siedelten kurz vor der Geburt des zweiten Kindes nach Gösting. Der 13. Grazer Stadtbezirk im Nordwesten ist ein typisches Wohnviertel, das in den letzten Jahren ständig gewachsen ist. Der starke Zuzug charakterisiert auch das Leben der Pfarrgemeinde St. Anna, zu der Familie Dachs-Wiesinger gehört. In der 1946 errichteten „Pfarre“ gibt es die „Alteingessenen“, die die Anfänge, einen großen Boom und dann auch einen gewissen Stillstand im Gemeindeleben miterlebt haben. Und es gibt jetzt die „Neuen“, die oft anonym bleiben und selbst wenn sie hie und da zu den Gottesdiensten kommen, nicht aktiv eingebunden sind.

Als Alfons und Angelika nach Gösting kamen, war ihr erster Berührungspunkt mit der Ortskirche die Taufe des kurz nach dem Umzug geborenen Sohnes. Ihnen lag aber auch an weiterem Kontakt, weil sie schon als Jugendliche die Fokolar-Bewegung kennengelernt und im Evangelium die Richtschnur für ihr Leben entdeckt hatten. Schnell hat man das Ehepaar dann gefragt, ob sie nicht zusammen mit anderen etwas für junge Familien anbieten wollten. „Wir sind mit den Kindern rein gewachsen“, fassen Angelika und Alfons zusammen, was dann kam: die „Zwergerlgruppe“, Gestaltung des Kindergottesdienstes parallel zur Sonntagsmesse, Kontakte zu anderen jüngeren Familien. Unter ihnen waren auch andere, die wie Alfons gern Musik machten, und so begannen sie eine Musikgruppe, die monatlich einen Gottesdienst gestaltet, Feste umrahmt und jeden Freitagabend probt. Weil sie einen Proberaum bekamen, den sie noch herrichten mussten, trafen sie sich auch am Wochenende.

“Das gemeinsame Anpacken hat viel Gemeinschaft geschaffen”, ist sich Alfons bewusst.

Inzwischen sind ihre Kinder größer und statt der Zwergerl- begleitet Angelika jetzt die Ministrantengruppe. „Wir haben viele Minis, und keinen mehr, der sich kümmern konnte. Ich fand es schade, wenn deshalb die Gemeinschaft verloren gegangen wäre.“ Auch in Gösting finden neue Familien eher selten den Weg in die Kirche. „Aber immer wieder wollen auch Kinder aus diesen Familien zu den Ministranten.“ Und über die Kinder besteht die Chance, den Kontakt zu den Eltern zu bekommen. Dafür nutzt die Gemeinde die vorhandenen Talente. Seit einigen Jahren stellen die Göstinger so jedes Jahr mit dem Kinderchor und der Jugendband eine Projektwoche auf die Beine, in der ein Kindermusical eingeübt wird. Dafür packen alle mit an, auch Dachs-Wiesingers. „Im Vorfeld steht die Musik und der grobe Rahmen,“ erklärt Alfons. „Aber alles andere – Texte, Kulissen, Ausführung – entsteht in der Woche dann gemeinsam.“

Bis zu 45 Kinder und 11 Erwachsene sind dafür mit im Boot. „Die Aufführungen sind ein Event!“

Das Leben in der Pfarre gehört ganz selbstverständlich zur Familie Dachs-Wiesinger dazu. „Du lebst miteinander“, sagt Alfons, und Angelika ergänzt, dass sie ihre Zusatzausbildung als Religionslehrerin ohne die anderen Familien nicht hätte machen können. „Viele haben unter der Woche unsere Kinder beaufsichtigt. Und jetzt passen wir auf die Kinder einer anderen Familie auf.“ Dies sei möglich, weil aus dem gemeinsamen Engagement tiefe Freundschaften gewachsen sind.

Neben all den konkreten Dingen geht es dem Ehepaar aber vor allem um die Atmosphäre in der Pfarre.

„Natürlich menschelt es auch“, erzählt Alfons. Etwa im Pfarrgemeinderat, in den er gewählt wurde. „Da war es hilfreich, dass da noch eine andere Frau war, von der ich wusste, dass ihr das Miteinander am Herzen lag. Da reichte manchmal ein Blickkontakt, um uns zu verständigen.“ Auch Angelika, die Alfons mittlerweile im Pfarrgemeinderat abgelöst hat, weiß um Missverständnisse und Unklarheiten. „Vor kurzem hatten wir lange beraten, ob wir eine Leinwand in der Kirche befestigen oder nicht. Weil sich einige das nicht vorstellen konnten, bot ein Mitglied an, sie erst einmal provisorisch aufzuhängen. Danach wollten wir abstimmen.“ Nach den Ferien war die Leinwand ohne zwischenzeitliche Sitzung plötzlich installiert. „Eine Stunde lang hatten wir diskutiert. Was hatte das denn noch für einen Wert?“, diese Frage beschäftigte Angelika. Sie war sich unsicher, ob sie es ansprechen sollte. Aber für das weitere Arbeitsklima schien es ihr doch zu wichtig. So beschloss sie, es zu wagen. „Mir hilft da die goldene Regel 1). Das bedeutet, mich zu fragen: Wie würde es mir gehen, wenn mir ein Fehler unterlaufen wäre? Wie könnte ich die Kritik dann am besten annehmen?“ Scheinbar ist ihr die richtige Formulierung und Haltung gelungen. Denn bei einer späteren Gelegenheit bedankte sich der Betroffene ausdrücklich bei ihr: „Das war echt super! Auch wenn ich anderer Meinung bin, so weiß ich doch, wir können offen miteinander reden.“

Das Verbindende und Generationenvernetzende in der Pfarre liegt den beiden auch für die Zukunft besonders am Herzen. So hat Angelika auch gern die Chance genutzt, beim Besuchsdienst einzusteigen. Zwar schafft sie im Moment nur wenige Besuche bei Menschen, die zuhause leben und nicht mehr mobil sind, „aber durch das einführende Seminar habe ich Kontakt zu zwei Frauen bekommen, die ich zwar von der Messe kannte, mit denen ich aber bisher nichts zu tun hatte. Von einer wusste ich nicht mal den Namen.“ Alfons hingegen hat sich zur Mitarbeit im Festausschuss bereit erklärt, weil dort alle Generationen vertreten sind und die unterschiedlichen Talente dort gut ins Spiel gebracht werden können, so dass jeder seinen Platz findet.

Und wie sieht es mit den „heißen Eisen“ in Gösting aus? Spielen Themen wie Priestermangel, Zölibat, die Pfarrer-Initiative hier eine Rolle? „Klar. Im Mittelpunkt steht aber ganz eindeutig die Frage: Wie können wir den Menschen die Liebe Gottes bringen? Wie können wir sie erreichen, auch die Neuzugesiedelten? Das macht unser Leben aus! Dann ist es toll, dass unterschiedliche Positionen Platz haben und wir miteinander versuchen, für andere da zu sein. Aber so richtig festgeredet haben wir uns da nie, viel wichtiger ist uns allen das Leben, die Gemeinschaft!“
Gabi Ballweg

1) „Alles was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen.“

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Oktober 2014)
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