22. Januar 2020

Verraten und verletzt

Von nst5

Jemand hat mir etwas Persönliches anvertraut. Unbedacht, aus einer Vertrauensseligkeit heraus oder aber in der Annahme, ich spreche in einem geschützten Raum, habe ich es weitererzählt.

So zog es Kreise und gelangte über mehrere Ecken wieder zu der betreffenden Person. Sie fühlte sich von mir verraten, verletzt. Wie kann ich das künftig vermeiden? Wie das verlorene Vertrauen zurückgewinnen?

Ulrike Zachhuber
Psychiaterin, Friedberg-Ottmaring
Ja, so etwas „passiert“, gerade auch dann, wenn wir viele Beziehungen pflegen. Um es künftig zu vermeiden, wäre es gut, in ähnlichen Situationen achtsam und wachsam zu sein: Wenn ich von mir weiß, dass es mir schwerfällt, etwas Vertrauliches für mich zu behalten, dann wäre es fair, der Person, die mir etwas anvertrauen möchte, gleich zu sagen, dass ich mich damit schwertue, oder dass ich mich eigentlich nicht damit „belasten“ möchte. Das ist zwar nicht einfach zu kommunizieren, aber ehrlich.
Und wenn ich doch etwas weitergesagt habe, was mir mit der Bitte um Verschwiegenheit mitgeteilt wurde, geht es vor allem darum, mich zu entschuldigen und das verletzte Vertrauen wieder aufzubauen. Oft kostet es Überwindung, vielleicht auch mehrere Anläufe, wieder bewusst auf die Person zuzugehen und das Gespräch mit ihr zu suchen, wenn ich um ihre Verletztheit weiß. Wenn ich es jedoch ehrlich meine, stehen die Chancen gut, dass sie meine Bitte um Verzeihung annimmt. Es wird auf die Qualität der Beziehung und auf die handelnden Personen ankommen, ob es gelingt, das Gefühl des Verrats und der Verletzung auszuräumen.

Franz Wezel
Seelsorger, Friedberg-Ottmaring
Zwei Begebenheiten, bei denen es andersherum war: Ich hatte einem guten Freund etwas Persönliches von mir erzählt und war dann überrascht, dass mich ein Dritter darauf ansprach. Das war zwar auch ein enger Freund, aber was ich preisgegeben hatte, war nun mal für den ersten bestimmt. So war ich schwer enttäuscht. Dann fiel mir auf, dass ich den ersten nicht darauf hingewiesen hatte, dass er es für sich behalten soll. Das in ähnlichen Situationen anzusprechen, nahm ich mir damals vor.
In einem anderen Fall war mir im Nachhinein aufgefallen, dass ich einen Fehler begangen hatte. Ich hätte es meinem Vorgesetzten verschweigen können, bekam aber Gewissensbisse. Einem längeren Bericht für ihn legte ich daher einen persönlichen Brief bei, in dem ich mein Verhalten erläuterte und mich dafür entschuldigte. Bei der nächsten Arbeitssitzung traute ich meinen Augen nicht: Vor jedem der Teilnehmer lagen Bericht plus Brief! Alle konnten es lesen. Ich fühlte mich völlig entblößt. Offenbar war die Post an das Sekretariat gegangen und alles mit dem Bericht einfach unbesehen kopiert worden. Die Lehren für mich: Offizielles und Persönliches strikt trennen. Lernen, vor anderen zu meinen Fehlern zu stehen. Mich selbst mit meinen Schwächen ganz annehmen.

Dorothee Wanzek
Journalistin, Zwochau bei Leipzig
Bei meiner Arbeit als Redakteurin einer Wochenzeitung habe ich oft mit vertraulichen Informationen zu tun. Bevor ich in Betracht ziehe, sie zu veröffentlichen, ergründe ich meine Motivation: Kann eine Veröffentlichung Lesern Lösungen für eigene Probleme aufzeigen, sie ermutigen? Helfen die Erfahrungen meiner Informanten, Missstände in Politik, Gesellschaft und Kirche nachvollziehbarer aufzuzeigen? Oder geht die Sensationslust mit mir durch? Wenn ich die letzte Frage klar mit „Nein“ beantworten kann, suche ich gemeinsam mit den Informanten Lösungen, die ihre Würde wahren und negative Folgen gering halten. Manche äußern von sich aus den Wunsch, den Text vor der Veröffentlichung zu lesen und darüber zu sprechen, oder sie möchten, dass ich ihren Namen ändere. Solche Wünsche nehme ich ernst. Wenn ich den Eindruck habe, dass jemand mögliche Auswirkungen selbst nicht im Blick hat, spreche ich ihn darauf an: „Stellen Sie sich vor, wie Ihre Nachbarn, Verwandten, Arbeitskollegen reagieren könnten!“ Wenn ich Personen unkenntlich mache, versuche ich, das mit angemessener Gründlichkeit zu tun. Den Nachnamen eines Mannes abzukürzen, mag genügen, wenn ich aus Berlin berichte, wohl aber nicht, wenn mein Beitrag in einem 500-Einwohner-Dorf angesiedelt ist.

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(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2020)
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