2. August 2022

Hoffnung im Diesseits!

Von nst5

Elisa Vogginger

Foto: privat

Elisa Vogginger, 39 Jahre, ist verheiratet, hat zwei Töchter und wohnt in Dresden. Sie hat in Erfurt katholische Theologie studiert und arbeitet als freie Journalistin.

Wenn meine kleine Tochter etwas will, dann muss es sofort sein und das tut sie lautstark kund. Natürlich kann ich ihren Wünschen und Forderungen nicht immer sofort nachkommen und so muss sie schmerzlich lernen, dass es im Leben dazugehört zu warten, Bedürfnisse zurückzustellen, wenn auch nur kurz. Kleine Kinder lassen sich nur ungern vertrösten, etwa wenn sie mit uns Eltern Zeit verbringen und spielen wollen. Gibt es denn etwas Wichtigeres? In der Welt der Erwachsenen oftmals leider ja und so antworte ich meiner Tochter in solchen Momenten: „Später!“
Was das mit Hoffnung zu tun hat? Es zeigt mir zumindest, was Hoffnung nicht sein sollte: vertrösten. In den Seligpreisungen in der berühmten „Bergpredigt“ Jesu (Matthäus 5,3-12) lese ich Worte des Trostes und der Hoffnung für alle, die arm, unterdrückt und verfolgt sind. Jesus spricht ihnen die große Verheißung zu, nach all den irdischen Entbehrungen das gesamte Himmelreich zu erben. Ich bin überzeugt, Jesus meinte damit nicht erst das Leben nach dem Tod. Vielmehr wollen seine Worte anstacheln uns zu fragen, wie wir den Menschen, denen Unrecht und Ausbeutung widerfahren, zum Himmelreich auf Erden verhelfen. Alles andere wäre purer Hohn für alle Leidenden. Ihre Hoffnungen sollen sich nicht erst im Jenseits erfüllen, sondern im Diesseits!
Auch in meiner Tätigkeit als ehrenamtliche Hospizhelferin begegnet mir Hoffnung, die sich auf das irdische Leben bezieht. Die Aussicht auf ein Leben nach dem Tod spielte in den Gesprächen mit den Sterbenden, die ich bisher begleiten durfte, keine Rolle. Zudem ist es mir wichtig, Menschen ohne religiöses Bekenntnis, die in meiner Region die Mehrheit bilden, nichts überzustülpen und leichtfertig vom Ewigen Leben als letzter Hoffnung zu sprechen. Manchmal spielen ungelöste Konflikte eine Rolle und hindern Menschen sogar daran, im Frieden aus diesem Leben zu scheiden. Mir scheint, dass die Sehnsucht überwiegt, dass die Beziehungen am Ende des Lebens möglichst heil sein mögen. Heile Beziehungen – auch dies ist also eine Hoffnung, die schon im Diesseits nach Erfüllung sucht.
Auch meine ganz persönliche Hoffnung zielt nicht auf ein Ewiges Leben hin, wohl aber über meine eigene Lebenszeit hinaus: Ich hoffe für die nachfolgenden Generationen, insbesondere für meine eigenen Kinder. Ich hoffe, dass sie mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen werden, dass sie in einem friedlichen Europa leben dürfen und sie in Würde alt werden können … kurz: dass wir ihnen eine lebenswerte Welt hinterlassen. Das verlangt Taten, jetzt. Hoffen wird hier zum Antrieb, auch wenn die Aussichten momentan nicht gut sind. Woraus also neue Hoffnung schöpfen? Das kann ich für mich so beantworten: Ich glaube an das Gute im Menschen. Ich sehe täglich Menschen, die sich im Kleinen wie im Großen selbstlos für andere und das Gemeinwohl einsetzen, für ein Miteinander des Friedens und des Respekts, die dafür ihre Komfortzone verlassen und das oftmals ohne religiöse Motivation. Solange es nur einen Menschen gibt, der so lebt, gibt es Grund genug zu hoffen. Ich selbst kann dieser Mensch sein.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2022)
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