4. Oktober 2022

Logotherapie

Von nst5

Vor 25 Jahren starb Viktor E. Frankl, der Begründer der Logotherapie.

Wer war Viktor E. Frankl?
Viktor E. Frankl war Arzt für Neurologie und Psychiatrie. Um Antworten auf die entscheidenden Lebens-Fragen zu finden, hat er sich neben den Naturwissenschaften auch intensiv mit der Philosophie beschäftigt. Er war ein konsequenter Zu-Ende-Denker und Forscher rund um die Frage, wie Menschen mittels Psycho-Hygiene schicksalhaften Herausforderungen des Lebens sinnvoll begegnen können. Mit seiner eigenen Biografie als Überlebender des Konzentrationslagers hat er vorbildlich gelebt, was er zuvor und danach gelehrt hat: wie es dank der Trotzmacht des Geistes gelingen kann – trotz aller schicksalhaften Widrigkeiten – JA zum Leben zu sagen.

Woher kommt die Bezeichnung Logotherapie?
Logos steht im altgriechischen für den Sinn. Viktor E. Frankls sinnzentrierte Lehre wird auch als dritte Wiener Schule der Psychotherapie oder „Höhenpsychologie“ bezeichnet, die aufbauend auf Sigmund Freuds Tiefenpsychologie und Alfred Adlers Individualpsychologie entstanden ist. Frankls revolutionäres Menschenbild spricht dem Menschen eine „Geist-Begabung“ zu, die ihn befähigt, zu den schicksalhaften Gegebenheiten auf der körperlichen und psychischen Dimension Stellung zu nehmen und Sinnvolles zu verwirklichen. Jede und jeder Einzelne kann also einen Beitrag dazu leisten, um in die „Höhe“ zu wachsen, indem sie oder er das Bestmögliche für sich selbst und das Umfeld anstrebt.

Was ist ihr Ansatz und wo kommt sie zum Einsatz?
Die Logotherapie unterscheidet sich von anderen Richtungen durch ihr Motivationskonzept. Glück ist demnach eine Folge und nicht direkt als Befriedigung von Bedürfnissen anzustreben. Ausgangspunkt ist Frankls Überzeugung, dass der Mensch vor allem ein Sinn-Suchender ist, der mit dem Willen zum Sinn ausgestattet ist. Wahre Selbstverwirklichung ist seiner Meinung nach nur über den Umweg der Sinnverwirklichung – wenn nötig auch mit Verzicht – möglich.
Die Sinn-Lehre gegen die Sinn-Leere kommt überall dort zum Einsatz, wo der Mensch lebensbejahende, Mut-machende Haltegriffe benötigt in existenziellen Fragestellungen. Sei es in der Krisen-Prävention als auch in der Krisen-Intervention. Im nicht-therapeutischen Bereich sprechen wir von Logo-Pädagogik, die den Menschen in der eigenverantwortlichen, sinnorientierten Lebensgestaltung im privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld schult.

Welche Chancen bietet sie gerade heute?
Der ergreifenden Authentizität der Lehre Frankls ist wohl auch der weltweit anhaltende Zuspruch zu seinem Bestseller „Trotzdem JA zum Leben sagen“ zu verdanken, den er nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager in wenigen Tagen verfasst hat.
Durch die Klimakrise, die Pandemie und den Ukraine-Krieg hat das Buch und das Thema an Aktualität gewonnen und veranschaulicht, dass der Mensch auch und gerade unter widrigsten Bedingungen Freiheit und Sinn herausringen kann, indem er Verantwortung für sein Schicksal übernimmt und sich mutig seiner Menschlichkeit behauptet: „Menschsein bedeutet Bewusstsein und Verantwortlichsein.“ (Viktor E. Frankl)
Daniela Philipp

Daniela Philipp ist diplomierte Sozial- und Lebensberaterin und gehört zum Vorstand des Viktor-Frankl-Zentrums in Wien. www.franklzentrum.org

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September/Oktober 2022)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München