3. August 2023

So tun als ob

Von nst5

Geht es Ihnen auch so? Bei Spielen

denke ich zuerst an Kinder, die in ihrem Spiel alles um sich herum ausblenden und sich dabei auch in völlig neue, schöne und oft auch heile Welten versetzen. Während sie so tun als ob, vergessen sie schnell die reale Welt um sich herum, müssen manchmal mit Nachdruck wieder zurückgeholt werden. Und hie und da wäre es angesichts der zahlreichen und sehr komplexen Fragen und Probleme, mit denen wir uns gesellschaftlich konfrontiert sehen, sehr verlockend, in solche anderen Wirklichkeiten zu entfliehen, das eine oder andere einfach auszublenden – und einfach so zu tun, als ob … die Welt doch ganz in Ordnung wäre.

Titelbild: (c) CSA Images (iStock)

Wenn wir Ihnen im Schwerpunktthema das Thema Spielen vorschlagen, dann jedoch nicht deshalb, weil wir Sie einladen wollen, sich den Problemen und Fragen zu entziehen und sich in eine wie auch immer geartete heile Welt zurückzuziehen.
Dennoch bieten die Sommermonate für viele die oft so notwendige und verdiente Gelegenheit, nach einem langen Arbeits- oder Schuljahr Abstand vom Alltag zu bekommen. Häufig ermöglicht erst dieser Abstand wieder einen neuen und konstruktiven Blick auf die Herausforderungen, die das Leben uns im Alltag stellt.
Und schon sind wir mitten im Thema. Spielen scheint für viele Menschen eine Möglichkeit zu sein, Abstand zu gewinnen und dann mit neuem, frischem Blick wieder auf den Alltag und seine Herausforderungen zu schauen. Allein deshalb ist es wichtig und wertvoll. Nicht nur für Kinder. Und nicht nur als Zeitvertreib.
Unser Interviewpartner Jens Junge beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Phänomen Spiel. Er ist der Meinung, dass wir im Spiel auch unsere Welt, die Gefüge, die Rollen und Regeln besser und tiefer verstehen können. „Komplexe Gesellschaften brauchen komplexe Spiele“, lautet eine der Aussagen, die mich besonders berührt haben. Der Spielewissenschaftler ist überzeugt, dass Menschen, wenn sie sich im spielerischen Herangehen von scheinbar festen Vorgaben lösen und so tun, als ob sie eben doch veränderbar wären, oft neue und sehr viel bessere Lösungswege finden können.
So tun, als ob … das Leben ein Spiel wäre. Für mich klang das zunächst ein wenig zu einfach. Trotzdem hat mich der Gedanke daran nicht losgelassen. Und bei der einen oder anderen Situation habe ich staunend bemerkt, dass ich ein wenig lockerer mit den Umständen umgehen konnte, mir quasi selbst ein Schnippchen geschlagen hatte.
Tatsächlich habe ich mehr und mehr angefangen, mit dem Gedanken zu spielen: Was habe ich schon zu verlieren, wenn ich erst mal so tue als ob …? Einen Versuch scheint das wert zu sein. Deshalb werde ich wohl auch in den kommenden Wochen noch ein wenig weiterspielen. Machen Sie mit?

Ihre

Gabi Ballweg

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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Juli/August 2023.
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