Zu den Dürstenden
Öffentlich oder privat?
2010 haben die Vereinten Nationen festgelegt, dass der Zugang zu sauberem Wasser ein Menschenrecht ist. Für etwa ein Viertel aller Menschen (2,2 Milliarden) ist diese Zusage bis heute nicht eingelöst. Um das zu ändern, ist laut UNICEF vor allem nötig, die Investitionen in die Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung schnell zu erhöhen und dabei besonders die am stärksten betroffenen Gemeinschaften in den Blick zu nehmen.
Vielfach wird die Ansicht vertreten, dass privatwirtschaftliche Unternehmen diese Aufgabe besser wahrnehmen können als die öffentliche Hand. Die bisherigen Erfahrungen in verschiedenen Teilen der Welt sind da allerdings nicht nur positiv. Eine Webseite des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg 1 nennt einige Beispiele: So seien dünn besiedelte Regionen für private Unternehmen uninteressant. In der bolivianischen Region Cochabamba etwa sei vor 20 Jahren das Wasser privatisiert worden. „Es gab in den Verträgen keine Klausel, die die privaten Unternehmen verpflichtete, ländliche Gebiete zu versorgen.“ In anderen Ländern (Südafrika, Philippinen) hätte sich ein Teil der Bevölkerung das horrend teuer gewordene Trinkwasser nicht mehr leisten können. Die Folge: Epidemien und Tote.
Auf der Website heißt es weiter: „Ein Lösungsansatz, der teilweise schon praktiziert wird, besteht in einer Partnerschaft zwischen einer Kommune und einem privaten Unternehmen. Die privaten Unternehmen sorgen für eine gewisse Qualität des Trinkwassers und die Versorgung der ansässigen Gemeinschaft. Die Kommunen kontrollieren diese Aufgaben.“
1 www.wir-ernten-was-wir-saeen.de

Entnahme
Die Höhe der Wasserentnahme pro Kopf als auch die Verteilung auf Landwirtschaft, Industrie und Kommunen unterscheidet sich erheblich zwischen den einzelnen Nationen. In Österreich etwa beträgt die Wasserentnahme pro Kopf und Jahr 387,74 Kubikmeter. Zwei Prozent davon werden für die Landwirtschaft genutzt, 77 Prozent für die Industrie und 21 Prozent in den Kommunen. In Deutschland sind es 339,95 Kubikmeter pro Kopf und Jahr (Landwirtschaft 1,5 Prozent, Industrie 62 Prozent, Kommunen 36,5 Prozent) und in der Schweiz 204,26 Kubikmeter (Landwirtschaft 9 Prozent, Industrie 36 Prozent und Kommunen 55 Prozent).
Grafik: jährliche Wasserentnahme pro Kopf in ausgewählten Ländern. Anteil des Wasserverbrauchs für Landwirtschaft, Industrie und Kommunen. Die Daten sind von 2023.
Quelle: AQUASTAT
worldpopulationreview.com/country-rankings/water-consumption-by-country

Fußabdruck
In jedem Produkt steckt weitaus mehr Wasser, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Wasser befindet sich nicht nur in den Gütern selbst; auch zu deren Herstellung werden große Mengen gebraucht. Dieses Wasser wird „virtuelles Wasser“ genannt. Während wir im Haushalt etwa 130 Liter Wasser pro Tag und Kopf verbrauchen, sind es über 4000 Liter, wenn man das virtuelle Wasser einrechnet. Auf der Website des Weltfriedensdienst e.V. können wir unseren persönlichen Wasserfußabdruck ermitteln.
wfd.de/wie-gross-ist-ihr-wasserfussabdruck

Nimm den Eimer
Nimm den Eimer
trage dich hin
Wisse du trägst dich
zu Dürstenden
Wisse du bist nicht das Wasser
du trägst nur den Eimer
Tränke sie dennoch
Dann trage den Eimer
voll mit dir
zu dir zurück
Der Gang
hin und her
dauert ein Jahrzehnt.
Hilde Domin, Sämtliche Gedichte, S. Fischer 42010, S. 259
Hilde Domin beschreibt in ihrem Gedicht „Nimm den Eimer“ das Wechselspiel von Geben und Nehmen als die Lebensaufgabe von uns Menschen.
Wir Menschen sind nicht das Wasser … und wir Menschen sind nicht … das Brot, das Jesus im Evangelium verteilt. Beides liegt bei Gott. Wir brauchen es für unser persönliches Leben. Wir Menschen sind nicht das Brot und wir sind nicht das Wasser; und doch wird beides durch uns weitergegeben – grenzenlos an alle. Das ist unsere Sendung.
Katja Endl
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Möchten Sie mehr von uns lesen? Dann können Sie hier das Magazin NEUE STADT abonnieren oder ein kostenloses Probe-Heft anfordern.
Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, September/Oktober 2024.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München.
Ihre Meinung interessiert uns: Schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.