4. Dezember 2024

Zuhören ist so wichtig!

Von nst5

Clara Hamberger

Foto: (c) Anna Zehetgruber

„Ich kann Respekt nur dann erwarten, wenn ich selbst ihn den Schülerinnen und Schülern entgegenbringe.“
Clara Hamberger, 26, studiert in Wien Musik und Italienisch auf Lehramt. Seit Mai 2022 ist sie mit einer halben Stelle Musiklehrerin an einem Gymnasium mit 1000 Schülerinnen und Schülern sowie 90 Lehrerinnen und Lehrern im niederösterreichischen Purkersdorf.


Gerade 24 Jahre alt geworden und noch mitten im Studium, bekam ich vor zweieinhalb Jahren das Angebot, an einem Gymnasium Musikunterricht zu geben. Ich nahm gerne und mit ein wenig Zittern an. Eine Frage stellte sich schnell: Wie verschaffe ich mir Respekt bei den Schülerinnen und Schülern? Ich bin jung. Eine Frau. Und nicht besonders groß. Den natürlichen Respekt, den ein großgewachsener Mann mit tiefer Stimme genießt, konnte ich nicht erwarten.
Was hilft, ist gute Arbeit zu leisten und mein musikalisches Können einzubringen. Entscheidend aber ist etwas anderes: Ich kann Respekt nur dann erwarten, wenn ich selbst ihn den Schülerinnen und Schülern entgegenbringe. Die Kinder sollen spüren, dass sie mir wichtig sind, dass ich sie mag und auch dann keinen Groll gegen sie hege, wenn es mal nicht so funktioniert mit der Disziplin. Sicherlich kommt mir da mein Wesen entgegen. Ich bin fröhlich und lache viel. Ich bin gerne an der Schule und mag es, mit den Kindern zu musizieren.
Und doch ist der respektvolle Umgang eine beständige Aufgabe. Zu Beginn eines Schuljahres gilt es, Regeln aufzustellen, sie klar zu kommunizieren und durchzusetzen. Ich bin nicht gerne streng. Und doch muss ich manchmal durchgreifen, denn Chaos im Unterricht ist auch für die Kinder frustrierend. Eine Maßnahme ist das persönliche Gespräch nach dem Unterricht. Meist sind die Schüler einsichtig. Das hilft für ein paar Stunden. Danach brauchen sie wieder eine Erinnerung.
Respekt ist eng mit Fairness und Gerechtigkeit verbunden. Wenn die Kinder und Jugendlichen spüren, dass ich sie gerecht beurteile und anspruchsvolle, aber machbare Aufgaben stelle, bewirkt das viel. Zur Fairness gehört etwa, dass die Benotung und die Beurteilungskriterien transparent kommuniziert werden. Mir ist beispielsweise die aktive Teilnahme am Unterricht am wichtigsten.
Und: Zuhören ist so wichtig! Nicht nur, dass sie mir zuhören und ich ihnen zuhöre, sondern auch, dass sie einander zuhören. Für eine gute Atmosphäre in der Klasse ist der respektvolle Umgang der Schüler untereinander genauso wichtig wie der Respekt vor mir.
Zum Schulleben gehören auch das Kollegium und die Eltern. Im Kollegium gibt es zum Glück einen starken Zusammenhalt. Das strahlt auf die Schulatmosphäre aus. Ich nehme wahr, dass viele Eltern fordernder werden. Das ist insofern berechtigt, als sie ihre Kinder in unsere Obhut geben und darauf vertrauen, dass wir guten Umgang miteinander pflegen. Die Verantwortung dafür, dass die Kinder in der Schule Erfolg haben, kann ich aber nicht übernehmen.
Leider muss ich feststellen, dass von Seiten der Politik nicht viel kommt, was das Schulleben erleichtert. Im Gegenteil. Das neue Lehrerrecht stülpt den Lehrpersonen zusätzliche Aufgaben und eine noch größere Dokumentationspflicht über.
Umso wichtiger ist deshalb der Respekt vor sich selbst. Niemand kann mir abnehmen, auf mich selbst zu achten. Ich lerne mir einzugestehen, dass mehr nicht geht – und dann auch „Nein“ zu sagen. Um den Kopf auszuschalten, hilft mir ungemein, etwas mit den Händen zu tun, zu stricken oder zu häkeln.


Hat Ihnen der Artikel gefallen? Möchten Sie mehr von uns lesen? Dann können Sie hier das Magazin NEUE STADT abonnieren oder ein kostenloses Probe-Heft anfordern.
Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, November/Dezember 2024.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München.
Ihre Meinung interessiert uns: Schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.