Friede will berührbar sein
Meinolf Wacker

Meinolf Wacker,
langjähriger Jugendpfarrer des Erzbistums Paderborn, initiierte den 20 Jahre währenden bosnischen Friedensweg „Hände für den Frieden“, an dem Jugendliche aus 19 Nationen teilgenommen haben. Er lebt im westfälischen Kamen und leitet das Netzwerk „go4peace“. In Zusammenarbeit mit jungen Menschen koordiniert er vielfältige soziale Aktivitäten. An der Basis von allem steht das gelebte Wort des Evangeliums.
Mit jungen Menschen aus ganz Europa hatte ich mich vor 30 Jahren in die zerstörten Landschaften des Nachkriegsbosniens gewagt, um beim Wiederaufbau des geschundenen Landes zu helfen. Geleitet von täglichen Impulsen aus dem Evangelium haben über viele Jahre hinweg mehr als 2000 junge Menschen ihre „Hände für den Frieden“ – so der Titel der ersten Camps in Bosnien – gegeben. Aus ihrem Engagement ist das Netzwerk go4peace entstanden. Diese junge Generation hat mich gelehrt, wie Frieden „geht“, Frieden mit sich selbst, Frieden mit allen Nächsten und Frieden mit Gott.
Am Ostertag hatten die Apostel hinter verschlossenen Türen einen Frieden erlebt, den diese Welt nicht geben kann. Das Wort Jesu „Frieden hinterlasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch“ (Johannes 14,27) war Wirklichkeit geworden. Sie erlebten ihn lebendig gegenwärtig.
Einen solchen Herzschlag göttlichen Friedens haben auch die jungen Friedens-Engagierten bei ihren vielfältigen Aktionen erlebt. Alle haben die gleiche Erfahrung gemacht; benannt hat sie jede und jeder unter dem je eigenen Denk- und Deute-Horizont. „Hast du ein wenig Zeit?“, fragte mich etwa Holger am Ende eines vierwöchigen Camps. Ich wusste, dass der Glaube an einen Gott nicht sein Weg war. Vier Wochen hatte er in der Hitze Bosniens gearbeitet und dabei lebendige Internationalität erlebt. „Hier ist alles nur dunkel und traurig. Der Friedhof des Dorfes ist voller Gräber junger Soldaten, alles ist zerstört, die Menschen tragen nur schwarze Trauerkleidung und überall Minen … Und ich könnte trotzdem platzen vor Glück. Es ist so ein tiefer Friede in mir und unter uns allen. Ich verstehe das nicht“, erzählte er mir unter Tränen. Behutsam bot ich ihm meine Deutung an: „Du hast dich vier Wochen lang mit all deiner Hingabekraft eingesetzt. Ich möchte sagen: Du hast geliebt. Wer diese Liebe lebt, dem hat Jesus die Freude versprochen, die ich jetzt in deinen Augen sehen darf!“ Am nächsten Tag bedankte sich der junge Abiturient und ließ mich gleichzeitig wissen: „Aber ich glaube auch weiterhin nicht.“
Seit einigen Jahren sind wir mit dem Projekt „navi4life – Navigier dich ins Leben!“ dort unterwegs, wo Jugendliche sind – in Schulen, Fußball-Clubs, Firm- und Konfirmanden-Gruppen –, um sie mithilfe von drei Logbüchern1 firm für ihr Leben zu machen. In der Evaluation eines dieser Module schrieb Maya, eine 16-Jährige: „Es ging um UNS! Wie WIR UNSER Leben und UNSERE Zukunft gestalten wollen und wie WIR das schaffen können. Das hat mir Frieden gegeben.“
„Wenn die Macht der Liebe die Liebe zur Macht übersteigt, erst dann wird die Welt endlich wissen, was Frieden heißt“,hat Jimi Hendrix der Welt hinterlassen. Im Netzwerk go4peace erfahren junge Menschen in immer neuen Aktionen und Formen diese „Macht der Liebe“; sie finden Frieden mit sich, mit ihren Nächsten und erleben die verlässliche Gegenwart eines Gottes, der gegenwärtig sich immer neu verbergend entbirgt. Friede wird „berührbar“.
1 Die Logbücher „Mein Weg“ – „Mein Glaube“ – „Mein Leben” sind im Verlag Neue Stadt erschienen.
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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Mai/Juni 2025.
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