17. Mai 2011

Mensch, Klaus! – „Was bleibt vom Leben?“

Von nst_xy

Eine Gruppe Jugendlicher hat sich zwei Jahre auf eine filmische Spurensuche begeben: „Was bleibt vom Leben?” – Das wollten sie am Beispiel von Klaus Hemmerle verstehen, dem langjährigen Aachener Bischof, der vor 16 Jahren verstorben ist.

Eine Einladung zu einer Filmpremiere am 1. April im Filmforum des Museums Ludwig in Köln? Jugendliche und ein schon 1994 verstorbener Bischof? Dabei wirkt das Ganze alles andere als fromm! Es hatte was und war doch irgendwie befremdlich. Und falls sich jemand heimlich gefragt hatte, ob es sich dabei um einen – wenn auch gut gemachten und wohl bestens vorbereiteten – Aprilscherz handelte, könnte man das durchaus nachvollziehen.
Mensch, Klaus! So heißt der Film, der dann am 1. April uraufgeführt wurde.
Und es geht um Klaus Hemmerle – „Philosoph, Theologe, Bischof, mit viel Wortwitz, offensichtlich beliebt bei seinen Leuten, aber doch wohl ziemlich weit weg” von den Jugendlichen heute, wie sie dies im Film dann auch selbst auf den Punkt bringen. Wer also im Vorfeld solche Überlegungen anstellte, war schon ziemlich nah dran an dem, was dann kam.

Tatsächlich erzählt der Film die Geschichte einiger Jugendlicher, die sich im Sommer auf den Weg machen von Köln nach Sardinien.

Die Stationen ihrer filmischen Spurensuche ergaben sich durch die Person von Klaus Hemmerle: von 1975 bis zu seinem Tod Bischof von Aachen; gebürtig aus Freiburg, wo er auch lange Jahre an der Universität als Theologe tätig war; der sich regelmäßig im Wallis mit anderen Bischöfen traf und gerne in Sardinien Urlaub machte. Unterwegs treffen die Jugendlichen auf Zeitzeugen – Menschen, die Klaus Hemmerle begegnet sind, mit ihm gearbeitet haben, Ferien machten oder sonst ein gemeinsames Wegstück mit ihm zurückgelegt hatten. Aber die Spurensuche im Film verläuft nicht geradlinig, spontan ergeben sich weitere Zwischenstopps – in Karlsruhe treffen die Jugendlichen die Schwester von Marie, einer ihrer sechsköpfigen Reisegruppe; Straßburg liegt ja gerade so schön auf dem Weg; und an dem See kann man doch nicht einfach so vorbeifahren, wenn man schon mal da ist. Ganz bewusst haben sie diese scheinbaren Umwege mit in den Film genommen; nicht etwa, weil ihnen der Stoff gefehlt hätte: Bei über 40 Stunden Filmmaterial hätten sie sicher auch anderes auswählen können.

Die kleinen Um- und Abwege sind wesentlicher Bestandteil der Erfahrung, die sie selbst in den vergangenen zwei Jahren gemacht haben, und die sie im Film vermitteln.

Wie kam es dazu? Einige der jungen Leute, unter ihnen auch der Politikstudent Johannes Epping (Hamburg), hatten immer wieder einmal vom Aachener Bischof Klaus Hemmerle gehört. So richtig einordnen konnten sie ihn jedoch nicht. „Und als dann jemand vorschlug, da doch mal was zu machen”, fand der damals 23-Jäh- rige das gar nicht so schlecht. Das Ganze war aber nur sinnvoll solange diejenigen, die von ihm erzählen konnten, noch lebten. Wann also, wenn nicht jetzt?
Zu diesen Überlegungen kam dann der überraschende Tod einer Freundin von Johannes, im Alter von 23 Jahren. „Was bleibt vom Leben?” und „Warum bleibt etwas?” – mit diesen Fragen setzte sich Johannes damals intensiv auseinander. Und warum sollte man ihnen nicht am Beispiel des Bischofs nachgehen, von dem offensichtlich auch fast 20 Jahre nach seinem Tod noch viele beeindruckt waren?
Aber: Wer war dieser Klaus Hemmerle, was machte er, wie dachte er, was lebte er? „Fragen über Fragen”, so fasst das Marie Trabert im Film dann auch in Worte. Die Abiturientin war erst vor einem Jahr in das Projekt eingestiegen. In dem 45-Minuten-Streifen baut sie als nachdenklich-kommentierende Quereinsteigerin dem Zuschauer die schiefe Ebene in die Erfahrung dieser zwei Jahre.
Dass aus ihrer Spurensuche ein Film werden sollte, war den jungen Leuten eigentlich von Anfang an klar. „Wenn es etwas für Jugendliche sein sollte, ging das fast nicht anders. Lesen tut das keiner!”, erklärt Johannes. Außerdem sollte es „wenn schon, dann was Großes werden, authentisch und dokumentarisch. Da sollten wir drin sein und auch Klaus!” Zum Bischof war offensichtlich inzwischen eine freundschaftliche Beziehung gewachsen. Ein Drehbuch gab es aber fast bis zum Schluss nicht, benennt Johannes eine der größten Schwierigkeiten – „und das würde ich in jedem Fall beim nächsten Mal anders machen!”
Auch vieles andere hat sich erst nach und nach entwickelt: wer für Tontechnik und Kamera zuständig war, wie sie die Fragen stellten oder an das nötige Geld kamen 1), wie es mit der Musik gehen sollte. „Ganz oft haben uns dann Bekannte geholfen, Tipps gegeben – und am Schluss haben Freunde von uns sogar noch selbst die Musik geschrieben und gespielt.” Insgesamt etwa 30 Jugendliche waren so in den gesamten Prozess eingebunden – die einen länger, die anderen kürzer. „Das wollten wir so offen halten”, erklärt Johannes. „Jeder sollte sich da einbringen können, wo er wollte.” Keiner konnte am Anfang absehen, auf was sie sich da einließen – und wie viel Zeit das dann in Anspruch nahm! Johannes selbst hat neben den unzähligen Stunden bei Gesprächen und Überlegungen wohl auch einige Nächte investiert.
Zurück zum Anfang: Zunächst einmal machten sie sich auf den Weg zu den „Zeitzeugen”. In den gut 20 Interviews erfuhren sie eine ganze Menge – das eine oder andere brachte ihnen den Unbekannten näher, anderes rückte ihn wieder ganz weit weg! Neue Fragen tauchten auf – so etwa angesichts der vielen Talente des Bischofs: „Gab’s denn überhaupt etwas, das der nicht konnte?” – aber auch erste Antworten: „Wenn man sich sehr reinhängt für seine Leute, bleibt man also in Erinnerung.”

Ein Schlüsselerlebnis für Johannes war die Begegnung mit dem evangelischen Bischof Christian Krause.

„Der stellte sich plötzlich mitten im Gespräch die Frage, was Klaus uns heute sagen würde. Das hat was in mir angestoßen” und letztlich einen Denkprozess ausgelöst, „der noch nicht abgeschlossen ist, und der eigentlich die ganze Spurensuche geprägt hat.” Denn „das Wichtigste ist nach den Gesprächen mit den Zeitzeugen passiert, wenn wir unter uns darüber geredet haben, wenn uns das eine oder andere noch im Kopf rum ging, wenn du das erst so und dann anders denkst.”
Diesen Denkprozess legen die Jugendlichen im Film offen – und laden damit gleichzeitig dazu ein, sich mit ihnen darauf einzulassen. Das gelingt offensichtlich, zumindest bei der Frau aus Mönchengladbach, die von ihrem Vetter überredet wurde, zur Premiere mitzukommen: „Was diese Jugendlichen uns nahegebracht haben! Ich brauche jetzt ein paar Tage Zeit, damit sich das in mir setzen kann.”

Der Premierensaal in Köln war mit gut 200 Personen gefüllt. „Viele, sehr viele unbekannte Gesichter!”, berichtet Johannes.

Erwartung und Spannung. „Aber als der Film dann lief, war es auch gut!” Bemerkenswert die gesammelte Stille im Raum, der herzliche Beifall, die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Auch eine Woche später kann er noch nicht ganz glauben, dass der Film bei all dem Spontanen noch „rund” geworden und so gut angekommen ist. „Die meisten im Raum wussten ja wenig von mir, von uns. Meine Freunde hatten ihre Freunde mitgebracht, weil sie danach noch was unternehmen wollten. Und allen hat es gefallen!”
Auch ein Bankkaufmann aus Köln hat den Film rein zufällig gesehen, weil er als Abonnent des Filmforums regelmäßig alle vierzehn Tage hinkommt: „Ich kannte Klaus Hemmerle bislang nicht. Jetzt werde ich das Internet erst mal durchforsten. Aber dieser Abend ist für mich auf jeden Fall eine große Bereicherung.”
Und was bleibt? – Dieser Frage gingen die Jugendlichen nach. Dass das nicht nur locker-flockig war, bringt der Film rüber. Aber auch, dass sie dabei wohl eine ganze Menge Spaß hatten. Zumindest präsentiert sich der Film in einer heiteren Grundstimmung, nicht zuletzt wegen der Musik. Antworten – oder zumindest Ansätze dazu – haben sie wohl auch gefunden.
„Die hatten zu viel Wichtiges gesagt.” Dieser zweite Film eignet sich damit dann für alle, die nach dem ersten neugierig geworden sind auf Klaus Hemmerle und wie eine der Jugendlichen am Ende sagen: „Eigentlich hätte ich ihn doch gerne noch besser kennengelernt!”
Gabi Ballweg

1) Das Projekt der Jugendlichen wurde finanziell gefördert von „Jugend für Europa“, der deutschen Agentur von Jugend in Aktion; von der Deutschen Bischofskonferenz; dem Starkmacher e.V. und der Fokolar-Bewegung.
* Weitere Infos unter: www.wasbleibt.eu (im Aufbau) und mensch.Klaus@yahoo.de.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2011)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und Email finden Sie unter Kontakt.
© Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München