11. November 2014

Signs – Zeichen

Von nst1

Wieso in Kanada ein Restaurant geöffnet hat, in dem die Gäste ihre Bestellung in aller Stille abgeben können.

Anjan Manikumar erinnert sich an einen Gehörlosen, der einmal zum Essen kam, als er selbst noch Manager einer Pizzeria war. Die Bestellung verlief etwas holprig: Zur Verständigung tippte der Gast mit dem Finger auf die Speisekarte, nickte oder schüttelte den Kopf. Manikumar hatte den Eindruck, seinen Kunden nicht so bedienen zu können, wie der es verdient hätte. So eignete er sich auf die Schnelle die grundlegendsten Zeichen der amerikanischen Gebärdensprache an: ein Winken mit der Hand zur Begrüßung und ein Reiben mit beiden Händen über Brust- und Bauchbereich, um auszudrücken: „Lassen Sie es sich schmecken!“ Der Gast war so erfreut, dass er am nächsten Tag seine Freunde mitbrachte.

Inzwischen hat Manikumar seine Kenntnisse in Gebärdensprache erweitert und in der kanadischen Millionenstadt Toronto ein Restaurant eröffnet, in dem jede Bestellung auf taube Ohren stößt. Das ist volle Absicht, denn er hat fast ausschließlich Gehörlose eingestellt: Es heißt „Signs“ – „Zeichen“ und wirbt mit dem Slogan „Where noise meets silence“ – „Wo Lärm Stille trifft“. Die Gäste sind eingeladen, sich auf die gehörlose Bedienung einzulassen und bei der Bestellung die Gebärdensprache zu üben: Dazu illustrieren Fotos an den Wänden und graphische Darstellungen auf der Speisekarte die Zeichen für wichtige Begriffe sowie die angebotenen Speisen und Getränke. Zur Not helfen Notizblock und Stifte auf den Tischen oder, sollten die Gäste gar nicht weiterkommen, dürfen sie auch mit dem Finger auf die Speisekarte zeigen. Eine unterhaltsame Art, so urteilen viele Gäste des ungewöhnlichen Restaurants, sich beim Essen in die Lage Gehörloser hineinzuversetzen und dabei zu lernen, sich mit ihnen zu verständigen.

Auf sein erstes Jobangebot für eine gehörlose Bedienung erhielt Manikumar Hunderte von Bewerbungen. So merkte er, dass sonst viele Gehörlose aufgrund ihres Handicaps keine Anstellung finden. Er beobachtet, dass die meisten zwar keine Erfahrung aus dem Metier mitbringen, aber sehr lernbegierig sind. Hier können sie ganz sie selbst sein. Nun hofft er, dass sein Geschäftsmodell auch andere Unternehmer ermutigt, Gehörlose einzustellen.

Als das „Signs“ vor einigen Monaten öffnete, wusste die Tageszeitung „Toronto Star“ von einer Pizzeria in San Francisco, die auch Gehörlose beschäftigt. Das „Atfaluna Restaurant“ im Gaza-Streifen arbeitet mit jungen, ebenfalls gehörlosen Palästinensern; es öffnete 2012, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich ein eigenes Einkommen zu verdienen.

Clemens Behr

www.signsrestaurant.ca
www.mozzeria.com
www.atfaluna.net/restaurant

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2014)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München