26. März 2019

Zum Neidischwerden

Von nst5

Neid kann Beziehungen zerstören und krank machen. Aber kann er nicht auch Anregung und Ansporn sein? Menschen vergleichen sich offenbar gern, wollen besser sein oder mehr haben als andere. Wovon hängt es ab, wie ausgeprägt dieses Vergleichen und ob es aufbauend oder zerstörerisch ist? Neid bei uns selbst oder bei anderen: Wie können wir damit umgehen?

Elli und Dirk von der Heide
Ehepaar, 3 Kinder (2-7 J.), Friedberg
Neid ist ein Gefühl, das sich bei Kindern zumeist im „Ich auch!“ äußert: Ich will auch das Spielzeug, fernsehen, kuscheln, Quatsch machen – die Liste lässt sich fortführen. Dass immer wieder Neid entsteht, ist in der Entwicklung von Kindern ganz normal. Wir können aber versuchen, den Umgang damit in positive Bahnen zu lenken: den geweckten Wunsch anerkennen, aber auch einsichtig machen, wenn er nicht gleich erfüllbar ist, oder gemeinsam Wege suchen, wie er verwirklicht werden kann.
Unsere Kinder benötigen noch keine Einzelzimmer, sondern nutzen zwei Räume gemeinsam und jedes darf grundsätzlich mit jedem Spielzeug spielen. Sie können sich daher zumeist einfach mitfreuen, egal wer gerade ein Geschenk bekommt. Neid und damit einhergehender Streit entstehen trotzdem regelmäßig, wenn die Aufmerksamkeit auf ein Spielzeug fällt, das gerade noch völlig uninteressant war, aber nun von einem anderen genutzt wird. Manchmal können wir diese Momente durch das Aufzeigen von Alternativen entschärfen.
Schwieriger wird es, wenn ein Kind neidisch reagiert, weil ein anderes gerade unsere Zuwendung benötigt. Wir Eltern können nicht immer sofort auf jedes Bedürfnis eingehen und müssen selbst immer wieder lernen, die Emotionen der wartenden Kinder auszuhalten.

Ulrike Zachhuber
Psychiaterin, Friedberg-Ottmaring
„Mich frisst der Neid!“, sage ich gern, wenn mir jemand erzählt, dass er zum Wochenende eine Schitour plant oder eine Karte für ein Phil Collins-Konzert geschenkt bekommen hat. Doch drückt diese Bemerkung vor allem Mitfreude und Bestärkung für die betreffende Person aus.
Neid ist ein Grundgefühl. Prinzipiell liegt ein Bestreben in uns, besser zu werden. Doch dies kann in ein Gefühl des Ärgers, des Hasses auf jemanden, der uns etwas voraus hat, kippen. Neid hat verschiedene Gesichter: zum Beispiel ein depressives – ich ziehe mich zurück; ein feindseliges, aggressives – ich gehe in die Abwertung; oder ein bewunderndes. Er entsteht aus dem Vergleich mit anderen. Wir fühlen uns unterlegen, unsere Selbstachtung rasselt in den Keller. Neid hindert uns, dass wir uns am Erfolg, am Glück anderer mitfreuen. Dahinter steckt Angst.
Was tun? Besinn dich darauf, dass jeder Mensch Stärken und Talente, aber auch Schwächen und Grenzen hat. Gesteh dir ein, dass du manchmal neidisch bist. Du könntest mit dem, den du beneidest, ins Gespräch kommen. Oft schrumpft der Neid dann gesund. Steig aus der Vergleichsnummer aus. Nimm deine Minderwertigkeitsgefühle, die ja ganz eng mit dem Neid verbunden sind, unter die Lupe und vermeide es, den Neid anderer anzustacheln.

Udo Stenz
Kath. Pfarrer, Ludwigshafen
Neid ist ein doppelter Beziehungskiller. Er vergiftet das Verhältnis von Menschen untereinander und er vertieft eine Störung in der Gottesbeziehung. Das lehrt die Geschichte von Kain und Abel 1: Aus der Erfahrung des (vermeintlichen) eigenen Nicht-Angenommen-Seins vor Gott entlädt sich tödlicher Neid gegenüber dem Bruder. Die Erzählung faltet den Sündenfall Adams und Evas aus und sagt: Der Neid gehört zum Grundbestand menschlicher Ursünde; er schleicht sich perfide und hartnäckig ein. Wer fühlt ihn nicht immer mal wieder, subtil vielleicht, in sich aufsteigen? Wer hat nicht das Gefühl, dass er sich nicht einfach abschütteln lässt?
Ausmerzen kann man Neid wohl nicht – seiner Herr werden schon. Das zeigt Jesus in seiner Wüstenerfahrung 2. Zu den Versuchungen, denen er ausgesetzt ist, gehört der Neid zwar nicht. Doch wie er sie überwindet, kann auf den Neid übertragen werden: Jesus weiß sich in Gott geborgen, ohne dass es dazu eines Beweises bedürfte. Das unterscheidet Jesus von Kain, der meint, sich vor Gott beweisen und ihn zur Annahme des Opfers nötigen zu können. Je mehr dagegen die Gewissheit wächst, von Gott angenommen und geliebt zu sein, desto weniger kann sich Neid entfalten.

1 Genesis 4
2 Matthäus 4,1-11; Lukas 4,1-13

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(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März/April 2019)
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