2. August 2022

Hart erkämpfte Leichtigkeit

Von nst5

Das Mannheimer Unternehmen AGÁTA

will Raum für Begegnung und Beziehungen schaffen – und das durch Kaffee und Handel.

Alle Fotos: AGÁTA

Es ist schön bei AGÁTA. Der Duft von frischem Kaffee erfüllt die Luft. Lounge-Musik ist zu hören. In der alten Lagerhalle stehen große, weiche Sessel und eine goldene Giraffe mit einem Lampenschirm um den Hals, an der Wand ein Foto mit einem Kaffeebauern aus Honduras. Den Cappuccino ziert ein Herz im Milchschaum. Alles hier ist wirklich stilvoll; aber dass es schön ist bei AGÀTA, dass es schön ist, hier zu sein, dahinter steckt mehr. Elisabetta Rossi-Epping und Michael Zillekens sind zusammen mit Johannes Epping das Trio, das die Firma AGÁTA heute führt und sich mit Herzblut dafür einsetzt, dass AGÁTA etwas Besonderes ist.

Mit einem Studium als Wirtschaftsingenieur für Transport und Logistik und einem Onlineversandhandel für Blumen und Zubehör hatte der heute 38 Jahre alte Michael eine Karriere gewählt, in der er vor allem mit Gegenständen zu tun hatte, durchaus erfolgreich. Aber der ruhige, stets besonnen wirkende Mann hat eine große Leidenschaft für Menschen und für das Miteinander, dort wo er lebt. Und so brachte er in sein nüchternes Arbeitsumfeld Visionen ein, schuf Raum für Menschen und Beziehungen. Als er 2014 mit seinem damaligen Geschäftspartner für ihre Firma „Kristallfluss“ ein neues Lager suchte, fand er in Mannheim eine Halle, die genug Platz bot, dass auch andere Firmen einsteigen konnten. Es kamen ein Sozialverein und ein Ingenieur-Büro für erneuerbare Energien. Auch Elisabetta Rossi-Epping und ihr Mann Johannes Epping, Freunde von Michael, nutzten diese Gelegenheit.

Die 35-jährige Elisabetta kommt aus Udine, Italien, wo sie Jura studierte. Nach dem Studium zogen sie nach Mannheim, zusammen mit ihrem Mann Johannes, der bereits Erfahrung in der Gründung von Unternehmen hatte. Ihre Leidenschaft für Kreativität, Nachhaltigkeit, Handwerk, Unternehmertum und vor allem Beziehungen brachten die beiden zum Kaffee. Während Johannes vor allem seine unternehmerischen Stärken einbringt, gibt Elisabetta dem Kaffee Seele und Qualität. Gemeinsam mit Freunden gründete sie in den Räumen von Kristallfluss AGÁTA, eine Rösterei mit Café.
„Ich liebe die Arbeit im Café, aber auch das Rösten. Und den Kontakt zu unseren Kaffeebauern. Da kann ich mich gar nicht entscheiden, was ich lieber mache“, schwärmt Elisabetta von ihrer Arbeit. Kaffee – vom Anbau bis zur Zubereitung – ist ihr ein Herzensanliegen, das sie mit Professionalität umsetzt. „Aber was das Geschäftliche angeht, bin ich manchmal sehr emotional“, räumt sie ein. Da ergänzen die anderen beiden mit ihrer Art. Johannes, der vor allem strategisch im Management eine wichtige Rolle spielt. Michael, der auch mit besonders fordernden Geschäftspartnern die Ruhe behält, klare Worte findet oder einfach mal zuhören kann.

Der gute Kaffee und die schönen Produkte von „Kristallfluss“ passten gut zusammen. Kunden des einen kauften auch beim anderen. Auch unter den drei Unternehmern entstand reger Austausch, über Business, Personal und das, was man sich vom Leben so alles erwartet. Krisen blieben nicht aus. Investitionen mussten riskiert werden. Man beriet, ermutigte und hinterfragte sich gegenseitig. 2020 stieg Michaels Partner überraschend aus. „Kristallfluss“ stand in Frage. Es sprach vieles dafür, das Geschäft aufzulösen und neu anzufangen, sicherere Verhältnisse zu suchen.
Aber der Ort in der Coblitzallee hat einfach etwas Besonderes. Die Menschen kommen gerne. Die Beziehungen zu den Kunden und Händlern sind über die Jahre gewachsen. Und so entschieden sich Elisabetta, Johannes und Michael zu fusionieren zu AGÁTA-Kaffee und AGÁTA-Home.

„Für mich ist nicht so wichtig, mit was ich arbeite, sondern mit wem“, meint Michael. Zusammen mit Betta, wie Elisabetta hier meist genannt wird, sind ihm sowohl die Kunden wichtig als auch die Händler und Mitarbeitenden. Sie haben zu all ihren Kaffeebauern Kontakt, waren zum Teil schon einmal bei ihnen und zwei waren sogar in der Rösterei zu Besuch.
Ilona Autz schiebt in Ballerinaschuhen Waren durch die Lagerhalle. Schmunzelnd erzählt sie, dass sie eigentlich für die Kasse und die Deko zuständig ist, aber heute mal aushelfen müsse. Mit Wertschätzung und Sinn für die Talente hat Michael jede und jeden seiner Mitarbeitenden im Blick. Das wiederum führt dazu, dass sie ohne großes Aufheben auch mal andere Aufgaben übernehmen.

Während eine Kundin noch zögernd im Eingang steht, rufen Justin und Festim ihr eine freundliche Begrüßung zu, fragen nach ihren Kaffeevorlieben und empfehlen dann „Kalle“, den Inder unter den Kaffeesorten, der eigentlich Kalledevarapura heißt und Aromen von Schokolade, Nougat und gerösteten Mandeln hat. Justin suchte einen Nebenjob, als er sich bei AGÁTA bewarb. Mittlerweile hat er seine Ausbildung aufgegeben und lernt bei Elisabetta das Rösten. Kaffee ist seine Leidenschaft. Aber ebenso hat es ihn beeindruckt, dass er „aufgenommen wurde, als wäre ich ein alter Freund“, als er frisch im Team anfing. Auch Festim, der schon viele Bereiche der Gastronomie erkundet hat, schwärmt: „Die Geduld und Gelassenheit von Betta und Michael sind großartig und auch, dass man hier nicht einfach seine schlechte Laune an den anderen auslässt. Ich habe viel davon gelernt, wie Betta, Michael und Johannes miteinander umgehen.“

Die Atmosphäre bei AGÁTA ist mittlerweile auch Thema in stadtbekannten Gastromagazinen. Verlangt es nicht manchmal einen Kraftakt, die Beziehungen vor das Geschäftliche zu stellen? „Jetzt zum Beispiel“, meint Elisabetta lachend, während sie Rede und Antwort steht. Sie erzählt, wie viel Arbeit gerade liegen bleibt. „Aber wenn ich mit jemandem rede, dann bin ich auch ganz da. Das ist das, was mir Freude macht!“
Als Michael 2020 zum ersten Mal Vater wurde, waren es Elisabetta und Johannes, die ihn ermutigten, Elternzeit zu nehmen. „Es war zuerst echt schwer, die Arbeit loszulassen. Aber es hat gutgetan zu merken, dass sie auch ohne mich klarkommen und dass ich meiner Familie Priorität geben darf“, erzählt Michael.

Die Leichtigkeit, Wärme und Freude, die AGÁTA ausstrahlt, ist an manchen Tagen hart erkämpft. Investitionen, Kredite, pandemiebedingte Umsatzeinbrüche, Kurzarbeit, Personalärger und natürlich die ganze Bandbreite zwischenmenschlicher Spannungen tummeln sich auch bei AGÁTA hinter den Kulissen. Sowohl Elisabetta und Johannes als auch Michael haben außerdem Familie mit je zwei kleinen Kindern. Die Momente bleiben nicht aus, in denen der Druck kaum auszuhalten ist. Da heißt es manchmal, einfach nur durchzuhalten.

„Ich weiß, dass ich meinen Job im Handel gut mache. Aber ich will nicht nur einen Konsumtempel erbauen“, sagt Michael. „Wenn ich durch meine Arbeit dazu beitrage, dass hier Begegnung möglich ist, dann bin ich zufrieden. Dafür lohnt es sich, die vielen Belastungen auszuhalten.“ Elisabetta schiebt emsig Kaffeesäcke durch den Raum, während parallel die Röstmaschine läuft, und erzählt dabei von Schulungen, die sie machen und Netzwerktreffen, die bei AGÁTA stattfinden.
Begegnung ermöglichen, Beziehungen aufbauen, Bewusstsein für guten Kaffee in all seinen Facetten schaffen. Diesen Wunsch mit einem erfolgreichen Business zu verbinden, ist eine Spannung, die immer wieder neu bewältigt werden will, die aber auch dafür sorgt, dass es bei AGÁTA wirklich schön ist.
Teresa Mühlig

AGÁTA
Die Firma AGÁTA aus Mannheim röstet Kaffee, betreibt zwei Cafés und einen Handel mit Möbel, Deko- und Gartenartikeln. Elisabetta Rossi-Epping, Johannes Epping und Michael Zillekens fusionierten 2020 ihre beiden Firmen, weil sie in ihrer Arbeit eine ähnliche Vision haben: Raum für Begegnung und Beziehungen schaffen – und das durch Kaffee und den Handel. Sie legen großen Wert auf soziale Verantwortung ihren Händlern und Mitarbeitern gegenüber und investieren viel Zeit und Kraft in persönliche Beziehungen in AGÁTA. Bei jeder ihrer neun Kaffeesorten haben sie direkten Kontakt zu den Bauern oder Händlern. Es gibt Barista-Kurse, Schulungen für Kaffeegenuss und Netzwerktreffen. Außerdem ist in den Räumlichkeiten noch ein Verein ansässig, der Sozial- und Kulturprojekte betreibt.

www.agata-kaffee.de und www.agata-home.de

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2022)
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