6. Dezember 2023

Der Verhärtung entgegenwirken

Von nst5

Wie herausfordernde Gespräche gelingen können

– in der direkten Begegnung und vielleicht sogar in den sozialen Medien.


Miteinander im Gespräch zu sein, ist zentral für uns Menschen. Wir wollen uns mitteilen und gehört werden. Wir möchten wissen, was die anderen denken, was sie bewegt. Aus dem Austausch entstehen oft neue Ideen oder Lösungen für Probleme, die uns umtreiben. Manchmal werden auch Unterschiede deutlich, und wir grenzen uns voneinander ab.
Mit Blick auf die Gesprächskultur, die aktuell vorherrscht, haben viele Menschen das Gefühl, dass da etwas schiefläuft. Tatsächlich erleben wir seit etwa zehn Jahren eine Veränderung der Gesprächskultur im öffentlichen Raum, die damit zu tun hat, dass mehr und mehr Menschen Nachrichten aus den sozialen Medien beziehen und versuchen, Konflikte online auszuhandeln. Die Polarisierung scheint zu- und der gesellschaftliche Zusammenhalt abzunehmen.
Als Organisationsbegleiterin werde ich immer wieder angefragt, wenn in Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen oder Nichtregierungsorganisationen herausfordernde Gespräche geführt oder Konflikte bearbeitet werden sollen. Wir starten meist mit einer kurzen Runde, in der alle sagen, wie es ihnen gerade geht. Hier zeigt sich oft, dass die Menschen viel Anspannung mitbringen: die Sorge, dass ein heftiger Streit vom Zaun brechen könnte; Angst davor, anderen mit der eigenen Meinung nicht zu gefallen oder sie zu verletzen; Ärger darüber, dass die anderen mich „immer noch nicht“ verstanden haben.
Die gute Nachricht: Häufig gelingen diese Gespräche trotzdem! Nicht immer lösen sich alte Konflikte oder unterschiedliche Interessen in Wohlgefallen auf. Aber häufig sagen Teilnehmende am Schluss zumindest etwas wie: „Ich bin weniger besorgt“ oder „Gespräche bringen doch etwas!“
Miteinander im Gespräch zu sein, ist zentral für uns Menschen. Wir wollen uns mitteilen und gehört werden. Wir möchten wissen, was die anderen denken, was sie bewegt. Aus dem Austausch entstehen oft neue Ideen oder Lösungen für Probleme, die uns umtreiben. Manchmal werden auch Unterschiede deutlich, und wir grenzen uns voneinander ab.
Mit Blick auf die Gesprächskultur, die aktuell vorherrscht, haben viele Menschen das Gefühl, dass da etwas schiefläuft. Tatsächlich erleben wir seit etwa zehn Jahren eine Veränderung der Gesprächskultur im öffentlichen Raum, die damit zu tun hat, dass mehr und mehr Menschen Nachrichten aus den sozialen Medien beziehen und versuchen, Konflikte online auszuhandeln. Die Polarisierung scheint zu- und der gesellschaftliche Zusammenhalt abzunehmen.
Als Organisationsbegleiterin werde ich immer wieder angefragt, wenn in Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen oder Nichtregierungsorganisationen herausfordernde Gespräche geführt oder Konflikte bearbeitet werden sollen. Wir starten meist mit einer kurzen Runde, in der alle sagen, wie es ihnen gerade geht. Hier zeigt sich oft, dass die Menschen viel Anspannung mitbringen: die Sorge, dass ein heftiger Streit vom Zaun brechen könnte; Angst davor, anderen mit der eigenen Meinung nicht zu gefallen oder sie zu verletzen; Ärger darüber, dass die anderen mich „immer noch nicht“ verstanden haben.
Die gute Nachricht: Häufig gelingen diese Gespräche trotzdem! Nicht immer lösen sich alte Konflikte oder unterschiedliche Interessen in Wohlgefallen auf. Aber häufig sagen Teilnehmende am Schluss zumindest etwas wie: „Ich bin weniger besorgt“ oder „Gespräche bringen doch etwas!“

Respektvoll formulieren
Meine Erfahrung zeigt, dass herausfordernde Gespräche vor allem dann eine gute Wendung nehmen, wenn einige Bedingungen erfüllt sind.
Die erste ist ein Mindestmaß an Sicherheit. Wenn klar ist, dass es unterschiedliche Meinungen zu einer Sache gibt, haben viele Angst davor, persönlich angegriffen zu werden oder Ablehnung zu erfahren. Da ist es wichtig, auf einige Regeln zu achten: Einerseits dürfen alle ausreden, andererseits nimmt sich niemand so viel Raum, dass für die anderen kein Platz bleibt. Die Beiträge sollen respektvoll formuliert und aufgenommen werden. Das bedeutet nicht, dass die Zuhörenden auch zustimmen müssen. Wir können einander zuhören und verstehen, ohne einer Meinung zu sein.
Die zweite Bedingung ist ein Mindestmaß an Offenheit. Gemeint ist, dass ich die Möglichkeit in Betracht ziehe, dass ich mich irren könnte oder (noch) nicht alles weiß. Daraus entsteht ein ehrliches Interesse daran, die anderen anzuhören und ihre Perspektiven aufzunehmen.
Die dritte Bedingung ist die Bereitschaft, die anderen als ganze Menschen zu sehen. Als Menschen mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft – mit Freunden und Familie, mit Interessen, Vorlieben und Abneigungen. Wir alle sind mehr als nur eine Position in einem Konflikt. Wenn wir so auf unser Gegenüber blicken, werden wir die andere Person nicht als Ganze abwerten, sondern grenzen uns gegebenenfalls von einer Meinung oder Perspektive ab, die wir nicht teilen.
Mit diesen Bedingungen vor Augen, ist es wenig überraschend, dass Debatten in den sozialen Netzwerken oft wenig konstruktiv verlaufen.

„Wir können einander zuhören und verstehen, ohne einer Meinung zu sein.“ – Illustration: (c) Vitalii Barida (iStock, bearbeitet von elfgenpick)

Dazu trägt unter anderem das Phänomen des „hate speech“ bei, also das Schreiben von Hassbeiträgen. Es hat im vergangenen Jahrzehnt massiv zugenommen. Gemeint sind Kommentare, die nicht – wie scharf auch immer – die eigene Position erläutern, sondern andere Menschen beleidigen, verleumden, mit Gewalt oder gar dem Tod bedrohen. 
In diesem Umfeld kann keine emotionale Sicherheit entstehen. Zwar gibt es Menschen, die sich innerlich wappnen und gegen alle Widrigkeiten beinahe heroisch weiter am Online-Diskurs teilnehmen, im Versuch, respektvolle Gespräche zu führen. Andere jedoch beteiligen sich höchstens als stille Lesende an den Debatten oder wenden sich komplett ab.
Auch mit Blick auf die zweite Bedingung, die Offenheit und die Bereitschaft, von der eigenen Meinung abzulassen, sind die sozialen Medien ein herausforderndes Umfeld. Das beginnt schon bei der Lektüre von Nachrichten: Während das Internet in der Theorie allen das gesamte Spektrum an Meinung zur Verfügung stellt, sieht die Realität anders aus. Google, Facebook oder Twitter setzen alles daran, dass die Menschen möglichst lange auf ihrer Plattform bleiben – denn damit verdienen sie ihr Geld. Das gelingt ihnen mit Algorithmen, die aus der großen Masse an Informationen die Beiträge herausfiltern, die die Nutzerinnen und Nutzer als bedeutsam oder passend einstufen. Das sind vor allem Beiträge, die die eigene Meinung bestärken, und solche, die emotional aufwühlen.
Diese Mechanismen tragen dazu bei, dass Menschen in ihrer politischen oder weltanschaulichen Meinung bestärkt werden und sie zunehmend als Teil der eigenen Identität ansehen. Wenn aber eine Meinung „Teil von mir“ wird, dann fühle ich mich schneller persönlich angegriffen von Menschen, die andere Positionen vertreten. Unter diesen Umständen haben es Offenheit und „Verstehen-Wollen“ schwer. Statt auf Zwischentöne zu achten, kommunizieren viele Menschen in den sozialen Medien scharf und unerbittlich.

Hören und verstehen
Besonders schwierig ist es, in den sozialen Medien den Menschen als Ganzen zu sehen. Zum einen, weil nur wenige von uns sich online „ganz“ zeigen wollen. Insbesondere auf Instagram oder TikTok werden Momentaufnahmen geteilt, in denen Menschen sich in einem bestimmten Licht, einer bestimmten Atmosphäre oder Lebensart zeigen. 
Häufig kennen wir von einer Person nur einen einzigen Beitrag, den sie eingestellt hat. Da kann es schnell passieren, dass wir die Person auf das Gesagte reduzieren – vor allem, wenn es uns nicht gefällt. So verhärten sich die Fronten, und die Person wird kaum bereit sein, uns zuzuhören.
Ich wünsche mir für unsere Gesellschaft, dass wir in Gesprächen darauf achten, einander ausreden zu lassen; dass wir nachfragen, was gemeint ist; dass wir so zuhören, dass wir auch verstehen, was die andere Person sagen will. Ich wünsche mir, dass wir uns darin üben, mit Offenheit in Gespräche zu gehen. Damit meine ich nicht, dass wir alle unsere Positionen und Überzeugungen über Bord werfen sollten. Es genügt die Bereitschaft, mich von dem, was mein Gegenüber sagt, berühren zu lassen – die bescheidene Annahme, dass ich vielleicht falsch oder zumindest nicht ganz richtig liege. Und ich wünsche mir, dass wir uns für den ganzen Menschen interessieren. Dass wir nicht nur danach Ausschau halten, was uns unterscheidet, sondern auch nach dem, was uns verbindet.
Diese Haltung zu pflegen, fällt online schwerer als im direkten Gespräch. Für manche sind die sozialen Medien trotzdem der richtige Ort für den Austausch. Die anderen möchte ich ermutigen, sich im direkten Gespräch einzubringen und zu öffnen.
Wenn ich erlebe, dass Menschen einen neuen Zugang zueinander oder zu einer Sache finden, fühlt sich das lebendig an. Erleichterung, Überraschung, Hoffnung, Freude und Verbundenheit – das sind die Gefühle, mit denen wir uns selbst belohnen, wenn sich im Gespräch etwas bewegt.
Klara Sucher

Klara Sucher ist Organisationsbegleiterin und lebt mit ihrer Familie in Berlin. In der Ausgabe 1/2023 haben wir sie ausführlich vorgestellt.


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, November/Dezember 2023.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München.
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