28. Januar 2014

Offenheit

Von nst1

Hunderte Fotos hatte ich bei der Leserreise geschossen. Schließlich sollten alle Sehenswürdigkeiten und Erlebnisse dokumentiert sein. Und doch: Vieles ging mir durch die Lappen. So stellten einige Mitreisende bereitwillig ihre Bilder zur Verfügung. Als ich mich in ihre Fotos vertiefte, machte ich eine Entdeckung: Offenbar war ich unbewusst davon ausgegangen, dass meine Kameraposition optimal ist, mein Blick immer aufmerksam, dass ich die beste oder sogar die „einzig richtige“ Sicht auf ein Objekt eingefangen hatte.

Gut, bei den gängigen Motiven ähnelten sich die Fotos. Aber etliche zeugten davon, dass ich etwas übersehen oder für unwichtig gehalten hatte. Die Fotografen hatten originelle Blickwinkel gefunden, ungewöhnliche Standpunkte eingenommen, Dinge anders ins Bild gesetzt oder in einen anderen Zusammenhang gestellt. Plötzlich sprach mich aus den Fotos die Persönlichkeit des anderen an und ich bemerkte, wie begrenzt meine Wahrnehmung ist.

Natürlich kann ich mit meiner begrenzten Wahrnehmung wunderbar klarkommen. Aber ich kann auch wunderbar vieles verpassen! Denn die Sichtweise der anderen hat mir vieles neu aufgeschlossen. Ihr Blickwinkel und ihr Standpunkt haben mich bereichert. Dieses Erlebnis lädt mich ein, offener zu werden!

Es mag triftige Gründe geben, einen Politiker für unfähig zu halten. Aber ihm von vornherein die Kompetenz abzusprechen, nur weil er noch jung ist, halte ich für arrogant oder engstirnig. Lassen wir ihn sich doch erstmal beweisen!

Verfolgung, Krieg, Hunger: Es gibt gute Gründe, warum Menschen alles zurücklassen und fliehen. Unsere Länder schotten sich ihnen gegenüber ab. Unsere Gesellschaft tut sich schwer, ihnen Heimat zu geben oder auch nur Aufenthalt zu gewähren. Geben wir ihnen doch eine Chance!

Der Spruch „Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein“ ist nicht fair: Offenheit bedeutet ja nicht, keinen eigenen Standpunkt zu haben oder ihn vorschnell zu ändern. Es bedeutet, die Scheuklappen abzulegen, der Engstirnigkeit vorzubeugen. Offenheit ist die Bereitschaft, sich in Frage zu stellen, den eigenen Standpunkt und seine Erwartungen zu überdenken, Neues, Fremdes an sich heranzulassen.

Klaus Hemmerle, der im Januar 1994 starb und an den wir in diesem Heft erinnern, hatte diese Offenheit: Er war offen für den Anderen, das Andere, das Neue. Er war bereit, sich einzulassen, sich überraschen zu lassen, sich beschenken und verwandeln zu lassen. Mehr offene Menschen werden Ihnen auf den nächsten Seiten begegnen.

Sind Sie offen für die Überraschungen, die das neue Jahr für Sie bereithält? Wache Augen, ein offenes Herz und offene Hände – und Menschen, die Ihnen ebenso begegnen – wünscht Ihnen

Ihr

Clemens Behr

PS: Für unsere Leserreise nach Portugal vom 21. bis 28. Mai sind noch Plätze frei!
Wenn Sie Interesse haben, fordern Sie Programm und Anmeldeformular an bei:
Gabriele Hartl, Verlag Neue Stadt, Münchner Str. 2, D-85667 Oberpframmern, Tel. +49 (0)8093 2091, gabriele.hartl@neuestadt.com

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2014)
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