19. Mai 2014

Vermeintlich sicher

Von nst1

Während ich diese Zeilen schreibe, steht die Situation in der Ukraine auf der Kippe. Die Proteste auf dem Maidan in Kiew schienen noch eine rein ukrainische Angelegenheit zu sein. Spätestens mit der russischen Übernahme der Krim und dem prorussischen Aufbegehren in der Ostukraine jedoch hat sich das Blatt gewendet. Wie schnell entsteht eine Bedrohung über das Land hinaus! Wird die Lage eskalieren? Ab wann wird es gefährlich für uns?

Gegen Ebola gibt es kein Medikament. Das Virus ist zu 60 bis 90 Prozent für Menschen tödlich. Seit den 1970er-Jahren gab es nur in zentralafrikanischen Ländern Epidemien. Erstmals verbreitet sich Ebola jetzt in Westafrika: Guinea, Liberia, Sierra Leone, Mali. Erkrankte müssen isoliert werden, um die Ausbreitung zu stoppen. Wird das gelingen?

Der Krieg in Syrien geht ungebremst weiter. Wir gedenken des unfassbaren Völkermords in Ruanda vor 20 Jahren, dabei ist die aktuelle Lage in Zentralafrika nicht sehr viel beruhigender. Ich will keine Panik verbreiten. Wir sind sozial abgesichert. Wir haben ein funktionierendes Gesundheitssystem. Bei uns herrscht Frieden. Aber all das kann sich ändern. Ich sehe Entwicklungen, die bedrohlich sind. Dazu gehören die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa – eine verlorene Generation? – und die Frage, ob die Renten künftig noch zum Leben reichen werden.

Absolute Sicherheit gibt es nicht. Darauf zu vertrauen, ist trügerisch. Aber was kann ich gegen die Bedrohungen tun? Ehrlich gesagt, ein umfassendes Rezept kenne ich nicht.

Wenn ich allerdings unser Gespräch über Datensicherheit im Internet durchgehe heißt die Antwort: wachsam sein. Die möglichen Gefahren sehen, ohne sich davon lähmen zu lassen. Die Möglichkeiten nutzen, sich zu informieren, und zum Schutz Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.

Auch im Einsatz von Ehepaar Mikl aus Wiener Neustadt gegen Misstrauen und Angst vor Fremden  kann ich eine Antwort erkennen: auf die Menschen zugehen, Vertrauen schenken, Verbindungen zwischen unterschiedlichen Gruppierungen knüpfen. Das macht die Gesellschaft menschlicher – und damit sicherer: weniger Anonymität, mehr Beziehungen.

Aus den Interviews zur Europawahl ist herauszulesen, dass wir auf die Politik Einfluss nehmen können: indem wir wählen gehen, indem wir Meinungen und Vorschläge einbringen über Verbände, Petitionen, direkte Kontakte zu Politikern. So wirken wir auf die Bemühungen um Frieden und größere Sicherheit ein.

Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel verhilft Menschen, die wenig Geld haben, zu einer günstigen Wohnausstattung. Um ihrem Leben mehr Sicherheit zu geben, setzt er Kreativität und Großzügigkeit ein.

Die Angst der großen Schauplätze bleibt. Zwar gibt es keine endgültige Sicherheit, aber kleine Ansätze gegen die Drohkulissen. Der Einsatz und die Haltung der Menschen, aus denen wir die Antwortversuche ablesen können, nötigen mir Respekt ab: weil sie nicht nur auf die eigene Sicherheit achtgeben, sondern auch auf die der anderen. Und ich will schauen, was ich davon übernehmen kann.

Ihr

Clemens Behr

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2014)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München