16. September 2015

Große Ziele, kleine Schritte

Von nst1

Es bewegt sich nichts. Ob wir auf die IS-Terroristen, die Kriege in Syrien und der Ukraine oder die Flüchtlingsströme schauen: Keiner hält sie auf. Niemand packt das Übel an den Wurzeln. Es breitet sich aus. Diesen Eindruck habe ich zuweilen. Da lässt der Bericht über die Millenniumsziele, was die UN in 25 Jahren erreicht hat, aufhorchen: Weniger Menschen hungern, mehr haben Zugang zu sauberem Wasser und Schulbildung – das ist doch was! Sicher, es gibt noch viel zu tun, aber: Etwas bewegt sich doch!
Den Hunger besiegen ist ein ehrgeiziges Ziel. Sollen wir es deshalb aufgeben? Eine friedliche Welt mag utopisch sein. Sollen wir deshalb die Hände in den Schoß legen? Wir brauchen große Ziele, Träume, Visionen, sonst müssen wir uns nicht wundern, wenn alles beim Alten bleibt! Dass die Familiensynode im Oktober in Rom die katholische Kirche weiterbringt, ist so ein Traum.
Raphael Fellmer aus Berlin versucht, ohne Geld auszukommen. Sein Traum ist eine geldfreie Gesellschaft, die mehr auf Freiwilligkeit setzt und echte Beziehungen ermöglicht. Das mag eine Utopie sein, aber seine Gedanken über die Wegwerfgesellschaft und globale Ungerechtigkeiten sind dennoch wert, gehört zu werden.
Fellmer hat nicht nur ein Ziel, er unternimmt auch viele kleine Schritte, um es zu erreichen. Selbst wenn sich sein Traum nie verwirklichen sollte, bewegt er doch viel. – Und ich? Franz Janßen hat sich gefragt, was er beitragen kann, damit sich die Flüchtlinge in einer Unterkunft in seiner Nähe wohlfühlen. Jetzt besucht er sie regelmäßig und singt mit ihnen: Dabei fördert er ihre Gemeinschaft und ihre Bildung.
Selbst etwas in Angriff genommen haben auch Annethres Schweder und Helga Stephany in Münster, als sie bemerkten: Bei bestimmten Initiativen bleiben die Muslime ihrer Stadt außen vor. So entwickelte sich ein Kreis, in dem sich christliche und muslimische Frauen über ihren Glauben austauschen und ihr Leben miteinander teilen.
Noch eine Gemeinsamkeit kann ich bei Raphael Fellmer, Franz Janßen und den Frauen in Münster entdecken: Sie arbeiten mit Gleichgesinnten zusammen. Das bringt sie ihrem Ziel näher, als wenn sie nur Einzelkämpfer wären. Die Gemeinschaft mit anderen gibt Kraft.
1509_TitelRückschläge auf dem Weg zum Ziel, Schicksalsschläge, Lebenskrisen: Einige Menschen reagieren wie gelähmt, andere haben ein dickes Fell. Lässt sich die psychische Widerstandskraft erhöhen? Das fragen wir in unserem Gespräch. Wenn ich die oben genannten Akteure auf die für psychische Widerstandsfähigkeit wichtigen Faktoren hin überprüfe, fällt auf: Sie sind optimistisch, lösungsorientiert, legen besonderen Wert auf Beziehungen, übernehmen Verantwortung und wollen Zukunft gestalten.
Erhalten wir uns unsere Visionen! Gehen wir kleine Schritte, um sie zu verwirklichen! Und: Suchen wir uns Verbündete und verfolgen gemeinsam mit ihnen unser Ziel! Vielleicht erinnern wir uns daran, wenn uns mal wieder der Eindruck beschleicht: Es bewegt sich nichts.

Ihr

Clemens Behr

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September 2015)
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