12. März 2015

„Unglaubliche Präsenz“

Von nst1

Macky Sall? Den Namen hatte ich noch nie gehört. Aber dass Afrika erstmals beim Dresdner Semperopernball vertreten war, hat mich neugierig gemacht.

Sall ist Präsident vom Senegal, das war schnell herauszufinden. Er werde für sein Bemühen um Demokratie und Toleranz geehrt, hieß es. Aber inhaltlich Tiefergreifendes über ihn zu finden, war nicht leicht. Was wir über ihn erfahren konnten, passt in das Konzept der NEUEN STADT. Denn wir wollen keine Skandalberichterstattung, sondern „good news“ bringen – Nachrichten, die aufbauen, Mut machen – und nachahmenswerte Menschen und Projekte bekannt machen.

Andererseits wollen wir schreckliche Ereignisse nicht unter den Tisch kehren, Risiken nicht blauäugig übersehen. Unsere Welt ist nicht schwarz-weiß. Es gibt Zwischentöne. Vieles hat mehrere Seiten: Die mediale Welt, die virtuelle Vernetzung, das Internet vereinfachen das Leben, bergen aber auch Gefahren. Im Interview beleuchten wir das Suchtpotential und gehen der Frage nach, was man dagegen tun kann, ohne jedoch das Internet zu verteufeln.

Die schwere Krankheit und der Tod unserer Musikredakteurin Meike Münz haben uns sehr getroffen. Wie sie gelebt hat, gerade in ihrer letzten Zeit, hat aber auch etwas, das Zuversicht gibt. Aus dem Gespräch mit ihrem Mann geht uns nach, dass ihn von Anfang an „ihre unglaubliche Präsenz“ angesprochen hat: dass sie für ihn und andere Mitmenschen im jeweiligen Augenblick voll und ganz da war.

Das neue Jahr war für uns „im Kleinen“ von Todesfällen wie ihrem und dem von Albert Rauch, dem langjährigen Leiter des Ostkirchlichen Instituts in Regensburg überschattet, auf der großen Weltbühne von Krieg und Terroranschlägen: in Nigeria von der Gruppe Boko Haram, in Paris auf die Redaktion des Satiremagazin Charlie Hebdo. Ereignisse, die uns Angst machen und verzweifeln lassen können! Was können kleine Initiativen und schöne Worte solchen Hass- und Gewaltorgien schon entgegensetzen? Da wirkt der Gedanke des Völkerrechtlers Vincenzo Buonomo, dass auch kleine Gesten die Zukunft der Menschheitsfamilie mitbestimmen, nicht sehr schlagkräftig.

Dennoch schreiben wir über das christlich-muslimische Konzert in Belgien, die jungen Leute in Münster, die sich ehrenamtlich um Prostituierte auf der Staße kümmern, das Leben von Meike und Salls Regierungsstil. Wenn man so will: kleine Schritte, Worte und Projekte. Aber sie sind nicht zu viel verlangt; sie sind für uns machbar. Sie bewegen nicht die Welt, aber einige Herzen verändern sie und einige Beziehungen bauen sie auf. Sie schaffen im Kleinen ein Klima der Freundschaft, in dem es Hass und Gewalt schwerer haben.

Wir laden Sie ein, nicht der Angst zu verfallen und die Hände in den Schoß zu legen, sondern Verantwortung zu übernehmen und „präsent zu sein“: Kleine, freundliche, verbindende Gesten und Worte gegenüber den Mitmenschen, mit denen Sie zu tun haben, sind immer drin.

Ihr

Clemens Behr

 

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2015)
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